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Anerkennung einer in einem EU-Mitgliedsstaat absolvierten KFO-Weiterbildung

Weist eine Zahnärztin oder ein Zahnarzt nach, dass ihr oder sein Weiterbildungsstand aufgrund einer Weiterbildung in einem EU-Mitgliedstaat gleichwertig ist, ist kein Raum für eine Eignungs- oder Fachzahnarztprüfung. Das hat das Verwaltungsgericht Hannover im Fall einer spanischen Staatsangehörigen für die Gebietsbezeichnung „Fachzahnärztin für Kieferorthopädie“ mit Urteil vom 25. Februar 2025 - Az.: 7 A 219/23 - entschieden.

Der Fall

Die Klägerin - spanische Staatsangehörige - absolvierte im Anschluss an das Studium der Zahnmedizin in Spanien von 2008 bis 2011 erfolgreich ein postgraduales Masterstudium in den Fachgebieten Kieferorthopädie, Orthognathie sowie Neuro-Okklusale Rehabilitation an der Universität E. in Madrid. Es handelte sich um einen dreijährigen Studiengang in Vollzeit. Während dieser Zeit wurden ausweislich des Lehrplanes - neben der theoretischen Ausbildung - mindestens 2000 Stunden klinischer Praxis abgeleistet; alle Studierenden versorgten mindestens 50 Patientinnen und Patienten. Das Curriculum orientiert sich an dem sog. Final Report of the Erasmus Project for Postgraduate Education in Orthodontics.

Zunächst war die Klägerin in Praxen für Kieferorthopädie in Spanien tätig. Seit 2012 ist sie - als approbierte Zahnärztin in Deutschland - als ausschließlich kieferorthopädisch tätige Zahnärztin in einer Praxis in Niedersachsen angestellt.

Im Februar 2021 beantragte sie bei der beklagten Zahnärztekammer Niedersachsen die Anerkennung einer ausländischen Berufsqualifikation. Mit Bescheid vom 8. Februar 2022 lehnte die Beklagte den Antrag auf unmittelbare Verleihung der Gebietsbezeichnung „Fachzahnärztin für Kieferorthopädie“ ab. Die niedersächsische Weiterbildungsordnung (WBO) setze das Ableisten einer vierjährigen Weiterbildungszeit sowie das Bestehen einer Prüfung voraus. Eine solche Weiterbildungszeit habe die Klägerin nicht nachgewiesen; die Praxis, in der sie in Deutschland beschäftigt sei, sei zur Weiterbildung im Bereich der Kieferorthopädie nicht ermächtigt. Ihre spanischen Ausbildungsnachweise würden im Umfang von insgesamt einem Jahr auf die fachspezifische Weiterbildungszeit angerechnet. Für die Anmeldung zur regulären Weiterbildungs-Abschlussprüfung in Niedersachsen müsse sie jedoch noch ein allgemeinzahnärztliches Jahr, ein Jahr in einer Abteilung für Kieferorthopädie an einer Hochschule sowie ein Jahr in einer weiterbildungsberechtigten Praxis ableisten.

Mit weiterem Bescheid vom 14. November 2022 ließ die Beklagte die Klägerin zur Fachzahnarztprüfung nach der WBO zu. Zwar könne auf Grund des mehrjährigen Masterstudienganges und der ebenfalls mehrjährigen praktischen Berufstätigkeit - auch ausgehend von den Anforderungen des europäischen Rechts - auf das Durchlaufen des strukturierten Weiterbildungsprogrammes verzichtet werden, nicht jedoch auf die Fachzahnarztprüfung. Sie müsse die von ihr erworbenen Kenntnisse unter Beweis stellen.

Das Urteil

Mit Urteil vom 25.Februar 2025 verpflichtete das VG Hannover die Beklagte, der Klägerin die Gebietsbezeichnung „Fachzahnärztin für Kieferorthopädie“ anzuerkennen.

Zwar komme die automatische Anerkennung nach der Berufsanerkennungs-Richtlinie 2005/36/EG nicht in Betracht. Art. 35 dieser Richtlinie regele die Ausbildung zum Fachzahnarzt. In Anhang V Nr. 5.3.3 („Anerkennung auf der Grundlage der Koordinierung der Mindestanforderungen an die Ausbildung“) sei im Bereich der Kieferorthopädie ein Ausbildungsnachweis für das Königreich Spanien jedoch nicht genannt.

Die Klägerin habe jedoch in einem von den §§ 37 und 38 des niedersächsischen Kammergesetzes für die Heilberufe (HKG) abweichenden Weiterbildungsgang eine Weiterbildung erfolgreich abgeschlossen und deren Gleichwertigkeit nachgewiesen. Das Zeugnis der dafür zuständigen spanischen Universität E. vom 29. Juli 2011 stelle einen „Ausbildungsnachweis über eine Weiterbildung aus einem Mitgliedstaat“ im Sinne des § 5 Abs. 2 Satz 1 WBO dar.

Zwar weiche der von der Klägerin absolvierte Studiengang von den strukturellen Anforderungen, die die WBO vorsehe, ab. Die WBO verlange jedoch keinen Gleichlauf der Weiterbildungsstruktur in Niedersachsen und anderen EU-Mitgliedstaaten. Erforderlich sei allein die „Gleichwertigkeit des Weiterbildungsstandes“. Dies sei auch aus Gründen des Patientenschutzes sinnvoll. Denn die Patientinnen und Patienten seien von den Fertigkeiten, Kenntnissen und Fähigkeiten einer Fachzahnärztin oder eines Fachzahnarztes - und nicht von der Struktur ihrer Ausbildung in einem EU-Mitgliedstaat - betroffen. Es wäre im Übrigen mit den Grundsätzen des Unionsrechts, der Dienstleistungs- sowie Niederlassungsfreiheit der Klägerin schwer vereinbar, wenn von der Klägerin - bei einem gleichwertigen Kenntnisstand und noch dazu ohne ausdrückliche Regelung im Gesetz oder in der WBO - eine Weiterbildung in einem Verfahren gefordert würde, das dem niedersächsischen Verfahren über die Weiterbildung vollständig entspreche. 

Es komme damit allein auf den materiellen Kenntnisstand an. Der von der Klägerin absolvierte dreijährige postgraduale Masterstudiengang erfülle die inhaltlichen bzw. materiellen Anforderungen an eine Weiterbildung.

Der Weiterbildungsstand sei als gleichwertig anzusehen, wenn die Weiterbildung der Antragstellerin oder des Antragstellers keine wesentlichen Unterschiede gegenüber der Weiterbildung aufweise, die in der WBO der jeweils zuständigen Zahnärztekammer geregelt sei. Wesentliche Unterschiede lägen vor, wenn sich der im Ausland erworbene Ausbildungsnachweis auf Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten beziehe, die sich hinsichtlich der vermittelten Inhalte oder aufgrund der Ausbildungsdauer wesentlich von denjenigen unterschieden, die im Rahmen der entsprechenden Weiterbildung nach der WBO erworben würden. Wesentliche Unterschiede könnten ganz oder teilweise durch Kenntnisse ausgeglichen werden, die im Rahmen der Berufspraxis oder auf sonstige Art und Weise erworben worden sind; dabei sei es nicht entscheidend, in welchem Staat die Kenntnisse und Fähigkeiten erworben worden seien.

Da die Beklagte als zuständige Fachbehörde die Gleichwertigkeit des inhaltlichen bzw. materiellen Weiterbildungsstandes selbst bestätigt habe und nach Auffassung der Kammer keinerlei Anhaltspunkte gegen diese Annahme der Behörde sprächen, habe die Kammer von der Einholung eines Sachverständigengutachtens zu dieser Frage abgesehen.

Die von der Beklagten vorgesehene Rechtsfolge, die Klägerin zur Fachzahnarztprüfung zuzulassen, sei von ihrer WBO im Fall des Vorliegens eines Ausbildungsnachweises über eine Weiterbildung aus einem Mitgliedstaat sowie eines gleichwertigen Weiterbildungsstandes nicht vorgesehen. Die Eignungsprüfung sei nur dann und nur insoweit abzulegen, als es festgestellte wesentliche Unterschiede gebe. Solche lägen hier aber nicht vor.

Hinweise für die Praxis

Zahnärztliche Berufsqualifikationen innerhalb der EU werden dann automatisch anerkannt, wenn sie in Anhang V Nr. 5.3.3. der Richtlinie 2005/36/EG für die einzelnen Mitgliedsländer mit den jeweiligen Ausbildungsnachweisen und ausstellenden Stellen explizit genannt werden. Ist das nicht der Fall, muss eine individuelle Gleichwertigkeitsprüfung durch die Landeszahnärztekammer durchgeführt werden. Das gilt im Bereich Oralchirurgie/Mundchirurgie für die Länder Belgien, Estland, Spanien, Kroatien, Lettland, Luxemburg und Österreich. Für den Bereich der Kieferorthopädie sind dies die Länder Spanien, Luxemburg und Österreich.


RA Detlef Kerber

lennmed.de Rechtsanwälte

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