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Behörde hat keinen Anspruch auf Einsichtnahme in Patientenakten

Mit Urteil vom 10.03.2022 (Az. 3 C 1.21) hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschieden, dass die für die Überwachung des Betäubungsmittelverkehrs zuständigen Behörden keinen Anspruch auf Einsicht in Patientenakten haben, um zu kontrollieren, ob Ärzte zu Unrecht dem Betäubungsmittelgesetz unterfallende Medikamente verschreiben.

 

Was war geschehen?

Geklagt hatte ein Münchner Allgemeinmediziner, der von der beklagten Landeshauptstadt als Überwachungsbehörde gem. § 22 Abs. 1 Betäubungsmittelgesetz (BtMG) dazu aufgefordert wurde, mehrere Patientenakten vorzulegen. Hintergrund dieses Verlangens war die unangekündigte Kontrolle einer Apotheke, bei der einige Betäubungsmittelrezepte des Klägers in den Fokus gerieten, da u.a. deren Anzahl als ungewöhnlich hoch eingestuft wurde. Die Beklagte forderte deswegen den Arzt per Bescheid zur Vorlage sämtlicher Betäubungsmittelrezepte betreffend 14 namentlich benannter Patienten auf. Ebenso sollte er Unterlagen vorlegen, welche die in Rede stehenden Verordnungen medizinisch begründen könnten. Schließlich hätten die bei der Apothekenkontrolle aufgefallenen Rezepte Anlass gegeben zu überprüfen, ob die Anwendung der verordneten Betäubungsmittel medizinisch indiziert gewesen sei. Ohne Einsicht in die betreffenden Patientenakten sei die entsprechende Prüfung nicht möglich.

Das Verwaltungsgericht München hob den Bescheid insoweit auf, als dass die Vorlage der Patientenunterlagen in Rede stand. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hob in der Folge das erstinstanzliche Urteil auf, weswegen der Kläger nunmehr vor das BVerwG zog.

 

Das Urteil

Das BVerwG stellte in seinem Urteil fest, dass zwar grundsätzlich Unterlagen über den Betäubungsmittelverkehr eingesehen werden dürften, soweit sie für die Sicherheit oder Kontrolle des Betäubungsmittelverkehrs von Bedeutung sein können. Allerdings seien Patientenakten keine Unterlagen im Sinne von § 22 Abs. 1 BtMG, denn die Auslegung der Vorschrift ergebe, dass sie hierauf keine Anwendung finde.

 

War’s das?

Nein. Das BVerwG verkniff sich einen an den Gesetzgeber gerichteten Kommentar nicht: Gemäß § 13 Abs. 1 BtMG dürften Ärzte Betäubungsmittel nur verordnen, wenn ihre Anwendung im menschlichen Körper begründet sei. Aber anhand der Angaben auf einem Betäubungsmittelrezept – welches gem. § 22 Abs. 1 BtMG von Überwachungsbehörden eingesehen werden dürfe – lasse sich dessen medizinische Begründung nicht feststellen. Deshalb könne die Absicht, eine effektive Kontrolle des Betäubungsmittelverkehrs zu gewährleisten, dafürsprechen, den zuständigen Behörden auch die Befugnis zur Einsicht in Patientenakten zu ermöglichen. Nur sei § 22 Abs. 1 BtMG nach Wortlaut, Systematik und Entstehungsgeschichte eben ausdrücklich keine Grundlage für eine entsprechende Befugnis.


RAin van Hövell, LL.M. Medizinrecht

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