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Beweislastverteilung bei behaupteten Impfschäden nach Schutzimpfung

Anknüpfend an unseren Beitrag aus dem vorherigen Newsletter möchten wir diesmal anhand eines aktuellen Urteils (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 31.05.2022, Az.: L 10 VE 51/20) Fragen der Beweislast bei möglichen Impfschäden aufzeigen. Auch hier ging es im Ausgangsfall nicht um die Corona-Schutzimpfung.

Beweislast

Das LSG führte zu den Anforderungen an die Beweislast aus, dass nicht die Beklagte beweisen müsse, woran die Klägerin erkrankt ist. Stattdessen müsse die Klägerin (als potenziell Impfgeschädigte) beweisen, dass ihre Erkrankung mit Wahrscheinlichkeit auf die angeschuldigte Impfung zurückzuführen ist.

Im vorliegenden Fall hatten alle beteiligten Sachverständigen darauf hingewiesen, dass eine derartige Erkrankung auch genetisch bedingt sein könne. Der Vortrag der Klägerin, dass der Umstand der Impfung ihres Vaters am selben Tag ein Anzeichen für eine Fehldosierung sein könnte, reicht nicht aus. Es sei vielmehr eine sogenannte Behauptung ins Blaue hinein.

Der zugrunde liegende Fall

Die Klägerin wurde mit 4 Jahren Ende Juli 2011 gegen die Frühsommer- Meningoenzephalitis geimpft (Wirkstoff: SME-IMMUN 0,25 ml Junior). Spätestens Ende des Jahres 2011 entwickelte sich bei ihr eine neurologische Erkrankung, die unter anderem zu einer Spastik in den Beinen führte.

Im Dezember 2013 beantragte die Klägerin bei dem zuständigen Landratsamt die Gewährung von Leistungen nach dem IfSG. In ihrem Antrag gab die Klägerin an, dass ungefähr einen Monat nach der ersten Impfung bei ihr neurologische Auffälligkeiten insbesondere im Hinblick auf ihren Gang aufgetreten seien. Bezüglich ihres Impfpasses gab sie an, dass nur eine Impfung durchgeführt worden sei – wie es zu einer zweiten Eintragung gekommen sei, sei für sie nicht nachvollziehbar.

Das Landratsamt leitete daraufhin Ermittlungen ein. Hieraus ergab sich, dass der Kinderarzt die Klägerin zweimal geimpft hatte. Zuletzt habe er die Klägerin am 21. November 2011 untersucht. Damals habe ein Infekt mit starkem Husten vorgelegen. Er habe anlässlich der damaligen Untersuchung vermerkt, das zentrale Nervensystem der Klägerin sei ohne Befund gewesen. Anlässlich der ersten Impfung vermerkte er, bei der Klägerin habe eine Rhinitis vorgelegen. Eine Impfkontraindikation habe er darin nicht gesehen. Anlässlich einer Untersuchung am 24. August 2011 sei die zweite Impfung verabreicht worden. Impfkontraindikationen habe er erneut ausgeschlossen. Im Hinblick auf ein schwaches Exanthem habe er ein Medikament verordnet.

In einer versorgungsmedizinischen Stellungnahme vom 1. Juli 2014 führte die Versorgungsärztin unter anderem aus, es werde von einer familiären spastischen Paraplegie ausgegangen. Für diese Diagnose sprächen insbesondere die Symptome mit deutlich stärkerer Spastik als Lähmungen und Hyperreflexie. Keiner der behandelnden Ärzte vermute einen Zusammenhang zu der angeschuldigten Impfung. Dafür spreche weder der zeitliche Verlauf noch lasse sich hier eine Kausalität vermuten. Auch aus der einschlägigen Fachliteratur gehe hervor, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen der Impfung und der nun vorliegenden progredienten zentralen Gangstörung nicht angenommen werden könne.

Ein weiterer Kinderarzt berichtete am 15. März 2014, die Klägerin sei ihm am 3. Januar 2012 erstmals vorgestellt worden. Da er Unregelmäßigkeiten am Gang der Klägerin beobachtet habe, habe er eine beschleunigte Vorstellung der Klägerin bei einem Universitätsklinikum veranlasst. Vom dortigen Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin liegt ein Arztbrief über die stationäre Aufnahme der Klägerin am 11. Januar 2012 vor. Darin wird die Diagnose „Spastische Diplegie“ gestellt. Die Klägerin laufe seit ihrem zwölften Lebensmonat. Ihr Gang sei immer so auffällig gewesen. Im Verlauf der letzten Monate sei zunehmend eine Unbeholfenheit mit fraglicher Gleichgewichtsproblematik aufgefallen. In dem zugehörigen Aufnahmebogen ist handschriftlich vermerkt, die Klägerin laufe seit dem ersten Lebensjahr – „breitbasiger, auffälliger Gang – steht auf Zehenspitzen.“

Auf dieser Grundlage lehnte das zuständige Landratsamt mit Bescheid vom 21. August 2014 die beantragten Leistungen ab.

Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein, woraufhin weitere medizinische Unterlagen beigezogen wurden. Von einem Facharzt wurde sodann festgestellt, dass ein Zusammenhang zwischen der angeschuldigten Impfung und der neurologischen Symptomatik aufgrund der Dynamik der Symptomatik und dem nach seiner Kenntnis nicht beschriebenen Auftreten einer spastischen Paraparese nach der Impfung weitgehend ausgeschlossen sei. Dieser Ansicht schloss sich ebenfalls die Obermedizinalrätin an.

Daraufhin wurde der Widerspruch zurückverwiesen, woraufhin die Klägerin Klage erhob.

Das SG Osnabrück holte zunächst weitere Gutachten ein, um eventuelle molekulargenetische Hintergründe oder andere Faktoren ausschließen zu können. Diese blieben unter dem Vorbehalt erfolgslos, dass der Stand der medizinischen Wissenschaft noch nicht dazu reiche, um sämtliche genetischen Probleme ausschließen zu können. Es wurde abschließend weiterhin die Verdachtsdiagnose einer familiären spastischen Paraplegie vertreten.

Somit wurde auch hier kein Zusammenhang zwischen der Erkrankung der Klägerin und der angeschuldigten Impfung gesehen. Das SG wies die Klage mit Urteil ab. 

Dagegen legte die Klägerin Berufung ein. Der Senat am LSG holte ein weiteres Gutachten ein, welches sich der Meinung der vorherigen Gutachten anschloss.

Im Ergebnis hält das LSG die Berufung für nicht begründet und schließt sich damit den vorherigen Entscheidungen an. Ein Impfschaden konnte damit nicht bewiesen werden.


Robert Prümper

lennmed.de Rechtsanwälte

Bonn | Berlin | Baden-Baden