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Darf eine Patientin einen Zahnarzt als „minderbemittelt“ bezeichnen?

In einer aktuellen Entscheidung (Urteil vom 09.09.2022 – 5 U 117/21) hatte sich das Saarländische Oberlandesgericht (OLG Saarbrücken) mit den Prüfpflichten eines Suchmaschinen- bzw. Bewertungsplattformbetreibers zu befassen – mit interessantem Ausgang.

Was war geschehen?

Im Dezember 2020 wurde ein Oralchirurg in dem Bewertungsportal "Local Reviews" von einer Patientin negativ bewertet. Hintergrund der Bewertung war offenbar, dass der Patientin wenige Tage zuvor Zähne operativ entfernt werden sollten. Zu diesem Termin brachte die Patientin nach eigenen Angaben eine psychologische Bescheinigung mit, aus der sich ergeben haben soll, dass es sich bei ihr um eine Angstpatientin handele und die Operation unter Vollnarkose stattfinden solle. Aufgrund der Bescheinigung soll ihre Behandlung trotz Schmerzen verweigert worden sein.

Diese Bewertung wurde bei einer Suchanfrage über eine bekannte Suchmaschine als Ergebnis gelistet. Der anwaltlich vertretene Oralchirurg beanstandete diese Bewertung bei dem Suchmaschinenbetreiber und gab an, zu der Bewertung gebe es „nach Prüfung der Kundenvorgänge keinen korrelierenden Kundenvorgang"; die Bewertung könne „keinem der Darstellung des Bewerters korrelierendem Vorfall zugeordnet werden". Auch nach Sichtung aller zurückliegenden Vorgänge und Befragung der Mitarbeiter, sei eine Zuordnung nicht möglich. 

Der Suchmaschinenbetreiber forderte die bewertende Patientin daraufhin zu einer Stellungnahme auf, woraufhin diese die näheren Umstände des von ihr bewerteten Vorfalls erläuterte. Auf dieser Grundlage wies der Suchmaschinenbetreiber das Löschungsbegehren des Oralchirurgen zurück. Der hielt allerdings auch im Fortgang daran fest, dass ihm die Verfasserin der Bewertung nicht bekannt sei. Zudem habe der Portalbetreiber die Pflicht, auf die erhobene Beanstandung hin ein Prüfverfahren einzuleiten. Das sah der Suchmaschinenbetreiber anders und lehnte die Entfernung der Bewertung weiterhin ab.

Die daraufhin erhobene Klage des Oralchirurgen hatte keinen Erfolg. Das angerufene Landgericht (LG Saarbrücken, Urt. v. 16.11.2021 – 4 O 105/21) verneinte einen Unterlassungsanspruch. Mit seiner Berufung zum OLG Saarbrücken verfolgte der klagende Oralchirurg sein Unterlassungsbegehren weiter.

Kein Unterlassungsanspruch

Das OLG Saarbrücken bestätigte die Entscheidung des Landgerichts. Ein Hostprovider, also ein Anbieter von Internetdiensten, der fremde Informationen für einen Nutzer speichere, sei nicht verpflichtet, die von den Nutzern in das Netz gestellten Beiträge vor der Veröffentlichung auf eventuelle Rechtsverletzungen zu überprüfen. Erst wenn er Kenntnis von einer Rechtsverletzung erlange, sei er als mittelbarer Störer verantwortlich und müsse den gesamten Sachverhalt unter Berücksichtigung einer etwaigen Stellungnahme des für die Äußerung verantwortlichen Nutzers ermitteln und bewerten. Stelle dieser die Berechtigung der Beanstandung substantiiert in Abrede, sei der Provider grundsätzlich gehalten, dem Betroffenen dies mitzuteilen und gegebenenfalls Nachweise zu verlangen, aus denen sich die behauptete Rechtsverletzung ergibt. Bleibe eine Stellungnahme des Betroffenen aus oder lege er gegebenenfalls erforderliche Nachweise nicht vor, sei eine weitere Prüfung nicht veranlasst.

Überobligatorische Prüfung

Eine Sachverhaltsermittlung sei vorliegend aber angesichts der wahrheitswidrigen Behauptung, dem Kläger sei der Verfasser der Bewertung nicht bekannt, schon nicht angezeigt gewesen. Es spreche alles dafür, dass der Versuch unternommen worden sei, eine Löschung der Bewertung zu erreichen, indem gezielt die für die Zulässigkeit der Bewertung entscheidende Tatsachengrundlage, nämlich das Bestehen eines Behandlungsverhältnisses, der Wahrheit zuwider in Abrede gestellt worden sei. Indes könnten Beanstandungen gegenüber einem Hostprovider, die auf (bewusst) falschen Tatsachenvortrag gestützt würden, Prüfungspflichten des Hostproviders nicht auslösen, weil falsche tatsächliche Behauptungen objektiv ungeeignet seien, die Rechtswidrigkeit der beanstandeten Bewertung zu begründen. Insoweit habe das beklagte Unternehmen bereits überobligatorisch geprüft. 

Fazit

Es gibt etliche Bewertungen, die ausgesprochen allgemein gehalten sind. Handelt es sich dann um eine falsche Tatsachenbehauptung, wenn ggf. der Name in der Patientenkartei zu finden ist, der allgemeine Vorgang aber sonst keine Anhaltspunkte für die Zuordnung zu genau diesem Patienten bietet? Es bleibt insoweit abzuwarten, ob und wie sich die vorliegende Entscheidung auf zukünftige Auseinandersetzungen auswirkt.


Bita Foroghi, LL.M. oec.

lennmed.de Rechtsanwälte

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