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Entfernung vorhandener Wurzelkanalfüllmaterialien – gesonderte Berechnungsmöglichkeit?

In seinem Urteil vom 28.10.2016 hat sich das Amtsgericht Siegburg (102 C 118/15) mit der Frage befasst, ob die Entfernung vorhandener Wurzelkanalfüllmaterialien gesondert berechnet werden kann.

Der Fall

In dem konkreten Fall führte ein Zahnarzt eine umfangreiche Revisions-wurzelkanalbehandlung am Zahn 37 durch. Für die Revisions-wurzelbehandlung stellte der Zahnarzt einen Gesamtbetrag in Höhe von 1.427,41 Euro in Rechnung, wobei u.a. die Nr. 2170 (Beseitigung von physiologischen iatrogen verursachten Penetrationshindernissen, entsprechend § 6 Abs. 1 GOZ der Nr. 2170: Einlagefüllung, mehr als zweiflächig; 201,85 Euro) und die Nr. 2160 (Therapie vorhandener iatrogen oder als Folge eines unphysiologischen Destruktionsprozesses entstandener Läisionen, entsprechend Par. 6 Abs. 1 GOZ der Nr: 2160, Einlagefüllung, zweiflächig; 175,41 Euro) angesetzt wurden.

Die Patientin weigerte sich diese Positionen zu begleichen. Der Zahnarzt hätte sie darüber aufklären müssen, dass bei den Positionen Nr. 2170 und 2160 analog GOZ die Erstattungsfähigkeit nicht gesichert sei.

Die Entscheidung

Nach Auffassung des AG Siegburg konnte der Zahnarzt die Abrechnungspositionen Nr. 2170 und 2160 GOZ analog GOZ ansetzen, wobei es sich auf ein eingeholtes Sachverständigengutachten berief. Die vollständige Entfernung vorhandener Wurzelkanalfüllmaterialien sei hiernach vor der weiteren Behandlung zwingend erforderlich gewesen. Darüber hinaus sei es vor dem Einbringen der Wurzelfüllung erforderlich gewesen, ein stabiles Widerlager in Form eines apikalen Verschlusses mit MTA zu schaffen, auch um eine Reinfektion des Wurzelkanals von apikal zu verhindern.

Darüber hinaus seien die Kosten für die vorbezeichneten Maßnahmen auch nach den Nrn. 2170 und 2160 analog GOZ abrechenbar.

Der Sachverständige habe festgestellt, dass die Entfernung alter Wurzelfüllungen von der Nr. 2410 GOZ nicht erfasst sei. Zum einen finde sich weder in dem Leistungstext noch in den Abrechnungsbestimmungen ein entsprechender Hinweis. Zudem würden die Positionen Nr. 2360 und 2300 GOZ zeigen, dass die Entfernung von Materialien und Geweben vor der eigentlichen Aufbereitung, die sich im Wurzelkanal befinden, eine eigenständige Leistung darstellten. Zudem sei unter Berücksichtigung der Kosten für die verbrauchten Instrumente, des Zeitaufwandes und der Tatsache, dass die Leistung unter einem Dentalmikroskop erbracht wurde, die notwendige Vergleichbarkeit mit den Leistungen der Position 2170 GOZ gegeben.

Darüber hinaus sei der Verschluss mit MTA nicht von der Position Nr. 2440 GOZ erfasst. Denn diese erfasse lediglich das eigentliche Verfüllen des Wurzelkanals. Aufgrund des Material- und Zeitaufwands sei der Verschluss nicht in der Position enthalten. Die Abrechnung über die Nr. 2160 analog GOZ sei aufgrund des Ermessensspielraums eines Zahnarztes nicht zu beanstanden.

Der Patientin stünde auch kein Schadensersatzanspruch wegen Verletzung der zahnärztlichen Aufklärungspflicht zu. Die Patientin habe nicht vorgetragen, dass sie bei einer Aufklärung - d.h. bei einem rechtmäßigen Alternativverhalten - von einer Entfernung der Wurzelfüllung sowie einem Verschluss der Perforation mit MTA abgesehen hätte. Dies sei auch nicht naheliegend, da beide Maßnahmen nach den überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen für einen Behandlungserfolg zwingend notwendig waren.

RA Michael Lennartz
lennmed.de Rechtsanwälte
Bonn | Berlin | Baden-Baden