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Entschädigung wegen Praxisschließungen im Zuge der Corona-Krise?

Eine Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) wegen der Schließung von (Zahn-)Arztpraxen ist (nach derzeitigem Stand ohnehin, aber auch wenn die entsprechenden Allgemeinverfügungen auf Praxen ausgedehnt würden) ausgeschlossen. Eine Entschädigung wegen individueller infektionsschutzrechtlicher Maßnahmen gegen einen Praxisinhaber kommt in Betracht, ist in der Höhe aber unklar.

„Freiwillige“ Praxisschließungen

Im Falle „freiwilliger“ Schließungen, also Schließungen, die nicht durch eine behördliche Verfügung, veranlasst sind, ist eine Entschädigung nach derzeitiger Rechtslage absolut ausgeschlossen.

Ein „freiwilliger“ Praxisschluss ist im Gegenteil nach heutigem Stand (27.03.2020) im Falle des Bestehens eines vertrags(zahn)ärztlichen Versorgungsauftrags grundsätzlich unzulässig. Der Versorgungsauftrag ist zu erfüllen, einschließlich des Angebotes von regulären Sprechstunden.

Mögliche Schließung aufgrund von Verordnungen oder Allgemeinverfügungen

Denkbar wäre, dass (Zahn-)Arztpraxen (wie z. B. Gaststätten) aus Gründen des Infektionsschutzes generell geschlossen würden. Als Grundlage kämen in Betracht:

  • Rechtsverordnung der jeweiligen Landesregierung nach § 32 IfSG
  • sog. Allgemeinverfügung der nach Landesrecht zuständigen Behörden nach § 28 IfSG

Die Rechtslage ist insoweit nicht bundesweit harmonisiert. In aller Regel ist auf Länderebene der Weg einer sog. Allgemeinverfügung gewählt worden. Das ist letztlich eine Art Verwaltungsakt, nur dass sie mit ihren Verhaltensregeln anders als Verwaltungsakte an eine Vielzahl von Personen gerichtet ist.

Eine Schließung von Praxen niedergelassener (Zahn-)Ärzte in allgemeiner Form ist bisher aber weder in einem der 16 Bundesländer noch bundesweit noch durch eine kommunale Gesundheitsbehörde verfügt worden. Die Frage der Entschädigung für solche Zwangsmaßnahmen ist somit Stand heute, 27.03.2020, nur theoretisch.

Keine Entschädigungspflicht wegen Allgemeinverfügungen

Solche Allgemeinverfügungen, mittels derer z. B. derzeit die Schließung von Gaststätten verfügt wird, lösen die Entschädigungspflichten nach dem Infektionsschutzgesetz NICHT aus. Es gibt im Infektionsschutzgesetz drei (m. E. abschließend geregelte und nicht auf andere Fälle übertragbare) Sachverhalte, die zu einer Entschädigung führen können:

  • Impfschäden aufgrund öffentlich empfohlener Impfungen;
  • dem Infektionsschutz dienende Zerstörung oder Beschädigung von Gegenständen (§§ 16; 17 IfSG) nach § 65 IfSG;
  • Verdienstausfall wegen gegen den (Zahn-)Arzt verhängter sog. Absonderung (Quarantäne) oder Berufsverbot (§§ 30; 31 IfSG) nach §§ 56 ff. IfSG.

Der erste Tatbestand spielt im hiesigen Kontext sowieso keine Rolle.

Der zweite Tatbestand setzt eine Maßnahme nach § 17 IfSG voraus, also eine „Behaftung“ des zerstörten Gegenstands mit Krankheitserregern und folglich dessen Beschädigung oder Zerstörung. Das steht hier ebenfalls nicht in Rede.

Der Anspruch nach § 56 IfSG setzt nach dem eindeutigen Wortlaut der Norm eine Absonderung oder ein Tätigkeitsverbot konkret gegen den Entschädigungsberechtigten (z. B. befristetes Berufsverbot gegen einen Zahnarzt wegen einer ansteckenden Erkrankung) voraus.

Auch das liegt bei den hier in Rede stehenden Maßnahmen – selbst unterstellt, sie würden auf (Zahn-)Arztpraxen ausgedehnt – nicht vor. Gezielte Tätigkeitsverbote oder Quarantänemaßnahmen werden mit den zitierten Allgemeinverfügungen nicht verhängt. Allgemeinverfügungen, wie die aktuell bereits in Kraft gesetzt sind, lösen nach all dem einen Entschädigungsanspruch nach § 56 IfSG NICHT aus.

Schadensersatz

Es bliebe die Möglichkeit staatshaftungsrechtlicher Schadensersatzansprüche. Diese sind für Maßnahmen, wie die jetzt erlassenen Allgemeinverfügungen in den Ordnungsbehördengesetzen der Länder, grundsätzlich vorgesehen (z. B. § 39 OBG NRW), aber:

Auch das setzt entweder

  • individuelle Inanspruchnahme eigentlich Unbeteiligter UND / ODER jedenfalls
  • rechtswidrige Maßnahmen voraus.

Ersteres wäre im Falle einer allgemeinen Schließungsverfügung nicht gegeben.

Dass ein Gericht die aktuellen Allgemeinverfügungen, die nach verbreiteter medizinischer und politischer Auffassung eher zu spät und zu wenig streng waren, für unverhältnismäßig hart und rechtswidrig erklärt, ist nicht zu erwarten. Und: auch dieser Anspruch würde voraussetzen, dass (Zahn-)Arztpraxen überhaupt, und sei es nur reflexhaft, von den Schließungen betroffen wären.

Entschädigung wegen Maßnahmen im Einzelfall

Die Höhe der Entschädigung, wenn gegen einen Zahnarzt wegen dessen Erkrankung Quarantäne oder Berufsverbot verhängt oder die Praxis wegen Ansteckungsgefahr geschlossen würde, ist unklar.

§ 56 Abs. 3 S. 4 IfSG gibt auch Selbständigen einen Anspruch auf Erstattung des durch die Maßnahme erlittenen Verdienstausfalls, wobei als Maßstab für den Verdienstausfall der Nettoverdienst im Kalenderjahr vor der Maßnahme, heruntergerechnet auf die Dauer der Maßnahme, gilt. Nicht klar ist, ob die Begrenzungen für Angestellte in Quarantäne entsprechend gelten. Angestellte erhalten, wenn sie abgesondert oder mit Berufsverbot belegt werden, nur sechs Wochen weiter ihren Verdienst, danach in aller Regel für maximal 72 Wochen Krankengeld, und auch das nur bis zur Beitragsbemessungsgrenze von derzeit ca. 62.000,- € p. a.. Diese Grenzen werden zwar für Selbständige in § 56 IfSG nicht ausdrücklich in Bezug genommen, möglich ist gleichwohl, dass die zuständigen Behörden sie entsprechend anwenden.

Die weiterlaufenden Praxiskosten werden in „angemessenem Umfang“ erstattet (§ 56 Abs. 4 S. 2 IfSG). Wie hoch „angemessen“ ist, ist aber unklar und bisher gerichtlich nicht entschieden.

Die in § 56 Abs. 5, 11 IfSG geregelte Erstattung weitergezahlter Gehälter von Angestellten für die Dauer von sechs Wochen betrifft einen anderen Fall. Sie regelt die Erstattung, wenn gegen den Mitarbeiter die Quarantäne oder ein Berufsverbot verhängt wird, ohne dass er arbeitsunfähig erkrankt ist.

Fazit und Folgerungen

Eine Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz kommt auf Basis der derzeitigen Maßnahmen, selbst wenn (Zahn-)Arztpraxen hier uneingeschränkt einbezogen würden, nicht in Betracht.

Sofern individuell gegen den Praxisinhaber Quarantäne oder Berufsverbot verhängt und deshalb ein Minderumsatz erzielt wird, kommt eine Entschädigung in Betracht, deren Höhe aber unklar ist.


RA Anno Haak, LL.M. Medizinrecht
lennmed.de Rechtsanwälte
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