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Familienrechtliche Auswirkungen der Corona-Pandemie

Die Corona-Krise führt bei den allermeisten Praxisinhabern zu erheblichen Umsatzeinbußen. Ebenso sind viele Angestellte der Zahnmedizin von der Kurzarbeit und den damit verbundenen Gehaltseinbußen betroffen. Und darüber hinaus herrscht deutschlandweit ein rigides Kontaktverbot, teilweise, je nach Bundesland oder sogar Kommune, bestehen sogar Ausgangsbeschränkungen. All dies wirft auch familienrechtliche Fragen auf, die nachfolgend dargestellt werden.

Unterhaltszahlungen aus Sicht des zum Unterhaltsverpflichteten

Wenn sich die Einkommenssituation beim Unterhaltspflichtigen plötzlich und unverschuldet zum Nachteil verändert, wie etwa durch Kurzarbeit infolge der Corona-Krise, hat dies nicht zwangsläufig Einfluss auf Unterhaltsverpflichtungen. Denn, wenn ein Unterhaltstitel (entsprechender Beschluss, vollstreckbare, vertragliche oder gerichtliche Vereinbarung oder eine Jugendamtsurkunde) existiert, dann hat dieser zunächst weiterhin Gültigkeit. Das bedeutet, dass der Unterhaltsverpflichtete nicht einfach die Unterhaltszahlungen kürzen oder einstellen kann – er riskiert anderenfalls, dass der Unterhaltsberechtigte aus dem Titel die Zwangsvollstreckung einleitet. Der Unterhaltstitel muss vielmehr gerichtlich abgeändert werden. Diese Vorgehensweise hat aber nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn sich die Einkommenssituation nachhaltig und unverschuldet erheblich verschlechtert, was derzeit im Hinblick auf die erwerbsmäßigen Konsequenzen der Pandemie noch nicht absehbar ist. Eine Übergangszeit von 3 – 4 Monaten wird in der Regel noch nicht dazu führen, dass ein Gericht einen Unterhaltstitel abändert. Der Unterhaltspflichtige muss also weiterhin den titulierten Unterhalt bezahlen.

Im Falle von „Kurzarbeit null“ gilt zudem ein verminderter Selbstbehalt, denn der Unterhaltspflichtige wird als „nicht erwerbstätig“ eingestuft. Das bedeutet, dass ihm in diesem Fall für seinen eigenen Lebensunterhalt unterhaltsrechtlich ein geringerer Betrag zugestanden wird als einem erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen. 

Anders ist die Rechtlage, wenn der Unterhalt nicht tituliert ist. In diesem Fall kann der Unterhalt mit der Begründung einer entsprechenden Einkommenseinbuße gekürzt werden, jedenfalls solange der Mindestunterhalt nach der Düsseldorfer Tabelle nicht unterschritten wird.

Umkehrschluss: Unterhaltszahlungen aus Sicht des Unterhaltsberechtigten

Besteht ein Unterhaltstitel, kann der Unterhaltsberechtigte weiter auf Zahlung des titulierten Betrages bestehen und ggfs. die Zwangsvollstreckung einleiten. Allerdings muss er im Zweifelsfalle auch mit dem Versuch des Unterhaltsschuldners rechnen, den Unterhaltstitel im Rahmen eines sog. Vollstreckungsgegenantrages gerichtlich abändern zu lassen. Um für alle Eventualitäten Zahlungsengpässe zu verhindern, kann der Unterhaltsberechtigte ggfs. Unterhaltsvorschuss beantragen. Das gilt erst recht, wenn der Unterhalt nicht tituliert ist und der Unterhaltspflichtige nicht (mehr) zahlt oder zahlen kann.

Cave: Unterhaltsvorschuss betrifft nur den Kindesunterhalt. Getrenntlebende oder geschiedene Ehegatten sind ggfs. auf Arbeitslosengeld II zu verweisen.  Und ist bei der Bemessung des Unterhaltsanspruchs eigenes Einkommen des Berechtigten angesetzt worden – wie etwa in der Regel beim Ehegattenunterhalt – gilt auch hier, dass etwaige Einkommenseinbußen wegen z. B. Kurzarbeit, solange sie vorübergehend sind, in der Regel nicht berücksichtigt werden.

Letztlich sei angemerkt, dass wenn der betreuende Elternteil infolge der Corona-bedingten Kita- und Schulschließungen seiner Erwerbstätigkeit nicht nachgehen kann und er deshalb kein Erwerbseinkommen erhält, dies erst dann Einfluss auf seinen Unterhaltsanspruch haben wird, wenn diese Phase mehr als nur wenige Monate andauert. „Notfalls“ sollte auch hier die Beantragung staatlicher Leistungen überlegt werden, wenn der Lebensunterhalt nicht (ergänzend) aus eigenen Ersparnissen sichergestellt werden kann.

Umgang

Auch in einer Situation wie der aktuellen Corona-Krise gilt in Bezug auf den Umgang des nicht betreuenden Elternteils mit dem Kind / den Kindern, dass allein das Kindeswohl maßgeblich ist. Besteht bereits eine Regelung und sind die Eltern sich nicht sicher, ob diese zurzeit praktikabel ist, sollte das zuständige Jugendamt kontaktiert werden.

Sollte sich der nicht betreuende Elternteil infiziert haben, so ist Kontakt vorerst verboten, bis von ihm nachweislich kein Ansteckungsrisiko mehr ausgeht. Dabei kann angenommen werden, dass die grundsätzlich geltende, 2-wöchige Quarantäne für den betreffenden Elternteil und damit Kontaktsperre auch gegenüber dem beim anderen Elternteil lebenden Kind zumutbar ist.

Für den Fall, dass der nicht betreuende Elternteil nicht infiziert ist bzw. keine Symptome aufweist (und dies auch für dessen Hausgenossen oder sonstige Personen aus dem näheren Umfeld gilt), kann der Umgang nicht aufgrund der allgemeinen Risikosituation verweigert werden.

Ist begleiteter Umgang vorgesehen, der in der Regel in Anwesenheit von Pädagogen einer sozialen Einrichtung erfolgt, so findet dieser derzeit aufgrund der Kontaktverbote nicht statt.

Sonstige familienrechtliche Aspekte

Bestehende Verfahren bei Gericht wegen Ehescheidung, Unterhalt, Sorgerecht, Umgangsrecht etc. laufen selbstverständlich weiter, wobei derzeit nur sehr eingeschränkt seitens der Gerichte terminiert wird. Besonderheiten im Hinblick auf Ehescheidungen, insbesondere das in diesem Zusammenhang vorausgesetzte Trennungsjahr, bestehen nicht.


Rechtsanwältin Nicole Kania (Fachanwältin für Erbrecht, Fachanwältin für Familienrecht)
lennmed.de Rechtsanwälte
Bonn | Berlin | Baden-Baden