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Gutachtenerstellung nach 27 Monaten – Ordnungsgeld gegen Sachverständigen

Das bayerische Landessozialgericht (LSG) beschäftigte sich im Beschluss vom 3.1.2022 mit der Beschwerde eines Sachverständigen (Az. L 2 KR 343/21 B). Es ging um die Frage, ob für ein zu spät eingereichtes Gutachten nach mehrmaliger Fristsetzung ein Ordnungsgeld seitens eines Sozialgerichts erteilt werden durfte.

 

Sachverhalt

Der Beschwerdeführer wurde im Zuge einer Beweisanordnung vom 19.02.2019 zum ärztlichen Sachverständigen ernannt und mit der Erstellung eines medizinischen Gutachtens wegen der Versorgung der Klägerin mit dem Hilfsmittel "Innowalk" beauftragt. Gleichzeitig wurde ihm eine Frist zur Erstellung des Gutachtens innerhalb von drei Monaten gesetzt. Das Schreiben vom 19.02.2019 enthielt folgenden Hinweis: "Sofern es Ihnen voraussichtlich nicht möglich ist, diesen Zeitrahmen einzuhalten, teilen Sie dies bitte unverzüglich unter Angabe der Gründe und der bis zur Übersendung des Gutachtens benötigten Zeit mit."

Mehrfache Aufforderung zur Gutachtenerstellung

Am 29.05.2019 erfolgte sodann seitens des Sozialgerichts (SG) die Nachfrage, bis wann mit der Erstattung des Gutachtens zu rechnen sei bzw. welche Gründe der Fertigstellung entgegenstünden. Der ärztliche Sachverständige teilte sodann am 12.06.2019 schriftlich mit, dass aufgrund eines erhöhten Arbeitsaufkommens in der Abteilung eine Erledigung nicht vor dem 31.07.2019 möglich sei.

Am 10.9.2019 erfolgte die nächste Erinnerung seitens des SG. Aufgrund ausbleibender Reaktion schickte das SG am 25.10.2019 eine dritte Erinnerung. Diesmal wurde eine Nachfrist bis zum 28.11.2019 gesetzt und bei Nichteinhaltung ein Ordnungsgeld von 500 EUR angedroht.

Ein Tag vor diesem Fristablauf teilte der Sachverständige mit, dass er aufgrund von Personalmangel noch nicht imstande zu Erstellung des Gutachtens gewesen sei. Zudem sei die zu untersuchende Person für Mitte des folgenden Monats einbestellt. Diese erbetene Fristverlängerung wurde ihm vom SG gewährt.

Am 7.7.2020 erfolgte nach weiteren Erinnerungen eine vierte Erinnerung durch das SG. Es wurde wieder eine Frist von knapp 1 ½ Monaten eingeräumt.

Als auch diese ereignislos verstrich setzte das SG am 26.8.2020 eine Nachfrist mit Androhung eines Ordnungsgeldes in Höhe von 500 EUR bis zum 23.9.2020.

Am 30.10.2020 erfolgte sodann endlich die erforderliche Untersuchung. Das Gutachten wurde dem SG jedoch immer noch nicht zugestellt, sodass es zu einer sechsten Erinnerung am 9.2.2021 sowie einer siebten Erinnerung am 23.3.2021 mit jeweiliger Fristsetzung kam. Als nach Ablauf dieser letzten Frist immer noch keine Antwort des Gutachters eingetroffen war, verhing das SG am 28.4.2021 ein Ordnungsgeld in Höhe von 500 EUR. Die Zustellung des fertigen Gutachtens erfolgte am 10.05.2021.

Der Gutachter wendet sich nun mit seiner Beschwerde gegen das vom SG gegen ihn verhangene Ordnungsgeld.

Die Entscheidung

Das LSG sah die Beschwerde als zulässig, aber unbegründet an. Trotz Anerkennung der hindernden Umstände, insbesondere durch die Corona Pandemie, sei es schlicht nicht verständlich, dass es dem Sachverständigem nach der Untersuchung der Patientin über fast 6 Monate nicht möglich gewesen sein soll, ein Gutachten zu diktieren bzw. schreiben zu lassen und gegebenenfalls zu korrigieren.

Auch werde die Verhängung eines Ordnungsgeldes durch die Vorlage des Gutachtens nicht obsolet. Nach Wortlaut und Sinn diene die Verhängung von Ordnungsgeld nicht allein der Durchsetzung der Verpflichtung zur Erstellung eines Gutachtens, sondern auch dessen zeitgerechter Erstellung.

Die insgesamt rund 27 vergangenen Monate nach der Gutachterbestellung vom 19.02.2019 stellen damit eine erhebliche zeitliche Verzögerung des zugrundeliegenden Rechtsstreits dar.

Auch sei die Höhe angemessen, hätte diese doch gemäß § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 411 Abs. 2 Satz 4 ZPO auch bis zu 3.000 EUR für jedes einzelne Ordnungsgeld betragen können.

Fazit

Es ist somit festzuhalten, dass auch der Geduldsfaden des SG endlich ist und man es als Gutachter möglichst nicht zu einer siebenfachen Erinnerung kommen lassen sollte. Bestehen vereinzelt Gründe, die eine Fristverlängerung bedingen, so sollten diese dem zuständigen Gericht unverzüglich mitgeteilt werden. In der Regel ist auch mit Einsicht seitens des Gerichts zu rechnen, da beide Parteien letztlich aufeinander angewiesen sind.


RA Michael Lennartz

lennmed.de Rechtsanwälte

Bonn | Berlin | Baden-Baden