Arzt- und Zahnarztpraxen benötigen oftmals Dienstleistungen von Fremdfirmen, wie z.B. eine IT-Firma, die bei EDV-Problemen konsultiert wird, oder einen Abrechnungsspezialisten. Bei diesen Tätigkeiten wird bisweilen auch Einblick in hochsensible Patientendaten genommen, was keinesfalls unkompliziert[...]

Honorarzahlung bei unbrauchbarem Zahnersatz
Führt die Nutzung einer objektiv unbrauchbaren zahnärztlichen Versorgung über einen Zeitraum von etwa 2 Jahren und 8 Monaten dazu, dass ein Interesse des Patienten an der Leistung des Zahnarztes besteht und er zur Honorarzahlung verpflichtet ist? Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Köln mit Urteil vom 3.Februar 2025 -Az: I-5 U 84/24 - in diesem Fall verneint.
Der Sachverhalt
Der Zahnarzt gliederte im Jahre 2021 bei dem Patienten Zahnersatz ein und machte hierfür Zahnarzthonorar in Höhe von 3.162,96 EUR geltend. Während das Landgericht Köln den Patienten hierzu verurteilte, hob das OLG die Entscheidung auf und wies die Zahlungsklage des Zahnarztes ab.
Die Entscheidungsgründe
Der Vergütungsanspruch des Zahnarztes könne entfallen, wenn die fehlerhaft erbrachte Leistung infolge einer Kündigung des Vertrages für den Patienten kein Interesse mehr habe. Voraussetzung hierfür sei, dass die zahnärztliche Leistung für den Patienten vollkommen unbrauchbar sei. Nutze der Patient sie gleichwohl, bestehe der Honoraranspruch des Behandlers fort und der Patient habe gegen ihn nur einen auf die Erstattung der Kosten für die fehlerbedingt erforderlich gewordene Nachbehandlung gerichteten Schadensersatzanspruch.
Der Patient habe hier den Behandlungsvertrag berechtigterweise gekündigt. Die vier in den Oberkiefer inserierten Kronen seien nach gutachterlicher Feststellung fehlerhaft gewesen und hätten vollständig erneuert werden müssen. Der Sachverständige habe nach klinischer Untersuchung und Erstellung von Röntgenbildern festgestellt, dass die im Oberkiefer des Patienten eingebrachten Kronen auf den Zähnen 11, 12, 21, und 22 an mehreren Stellen Passungenauigkeiten aufgewiesen hätten. Es hätten Stufenbildungen bestanden. Zudem hätten die Kronen mit der Sonde unterhakt werden können. Die Passungenauigkeiten im Bereich der Kronenränder hätten zu einer Entzündung der Gingiva geführt. Darüber hinaus seien die Kronen wegen eines von Anfang an bestehenden, zu strammen Kontakts mit den unteren Zähnen palatinal massiv eingeschliffen worden, was zu kantigen und wulstigen Arealen der Kronen palatinal und damit für den Beklagten zu einem Störgefühl im Bereich seiner Zunge geführt hätte. Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen habe der Zahnersatz nicht dem zahnmedizinischen Standard entsprochen. Dass die Kronen neu angefertigt werden müssten, habe der Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten bestätigt.
Zwar habe der Patient die Zahnprothetik über einen Zeitraum von etwa 2 Jahren und 8 Monaten genutzt. Das sei aber keine rechtlich relevante tatsächliche Nutzung, die einen Honoraranspruch begründe.
Der Patient habe die Versorgung zu keinem Zeitpunkt akzeptiert. Bereits zwei Monate nach Abbruch der Behandlung habe er sich bei seinem Nachbehandler vorgestellt. Dort seien mit ihm die erforderlichen Behandlungsmaßnahmen besprochen und sei unter dem 13.04.2022 ein Heil- und Kostenplan erstellt worden. Zwei Monate später habe er seine jetzigen Prozessbevollmächtigten mit der Wahrnehmung seiner rechtlichen Interessen beauftragt. Zwar habe er in der Folgezeit kein selbständiges Beweisverfahren eingeleitet. Dies sei aber auch aus Sicht eines an einer möglichst zügigen Neuanfertigung der Zahnprothetik interessierten Patienten nicht geboten gewesen. Denn gegen ihn sei bereits im September 2022 Klage auf Zahlung von Zahnarzthonorar erhoben worden. Der Patient habe erwarten dürfen, dass auf seine Mängeleinrede die Frage der Fehlerhaftigkeit des Zahnersatzes durch einen gerichtlichen Sachverständigen überprüft werden würde, wie es dann auch tatsächlich geschehen sei.
Dass der Patient nicht unmittelbar nach Erstellung des für ihn günstigen Gutachtens am 19.05.2023 mit der Erneuerung des Zahnersatzes begonnen habe, sondern bis zur Anhörung des Gerichtssachverständigen am 10.04.2024 mit der Neuversorgung seiner Zähne zugewartet habe, indiziere nicht sein Interesse an einer weiteren Nutzung des von ihm von Anfang an als mangelhaft gerügten Zahnersatzes. Er habe die Anfang 2022 zeitnah eingeleitete Neuversorgung unmittelbar nach der mündlichen Verhandlung fortgesetzt und sich am 17.06.2024 die vier Kronen auf den oberen Frontzähnen entfernen lassen. Er hätte ein nachvollziehbares Interesse daran gehabt, zur Vermeidung von Prozessrisiken das Ergebnis der Beweisaufnahme, die erst mit der Anhörung des Sachverständigen beendet gewesen sei, abzuwarten. Der Umstand, dass von der Erstattung des schriftlichen Gutachtens und der mündlichen Anhörung des Sachverständigen insgesamt 11 Monate vergangen seien, habe außerhalb des Verantwortungsbereichs des Patienten gelegen und könne daher ein Nutzungsinteresse nicht belegen.
Hinweise für die Praxis
Die umfangreich begründete Entscheidung macht deutlich, dass ein Zahlungsanspruch des Zahnarztes auch bei einer unbrauchbaren prothetischen Versorgung bestehen kann, wenn der Patient sie aus freier Willensentschließung tatsächlich nutzt. Ein solches Nutzungsinteresse, das über die Situation einer Notmaßnahme hinaus geht, wird etwa anzunehmen sein, wenn über einen längeren Zeitraum keinerlei Anstrengungen unternommen werden, die die ernste Absicht einer Neuversorgung erkennen lassen, etwa die Erstellung eines Heil- und Kostenplans durch einen Nachbehandler. Es wird ferner gegeben sein, wenn eine behauptete und womöglich zunächst auch in die Wege geleitete Neuversorgungsabsicht über einen unverständlich langen Zeitraum hinweg nicht ernsthaft weiterverfolgt wird. Maßstab hierfür ist das Handeln eines vernünftig denkenden Menschen, dessen Motivation primär an seiner Gesundheit ausgerichtet ist und der von dem Willen getragen ist, so schnell wie objektiv möglich und gesundheitlich wie rechtlich und wirtschaftlich zumutbar den Zustand einer brauchbaren Versorgung zu erlangen.
RA Detlef Kerber
lennmed.de Rechtsanwälte
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