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Ist die Operation eines grauen Stars in der Türkei als Notfallbehandlung erstattungsfähig?

Das Landessozialgericht Niedersachsen Bremen entschied kürzlich (Urteil vom 19.12.2023, Az. L 16 KR 196/23) über die Frage, ob einer Patientin ein Anspruch auf Kostenerstattung gegen ihre Krankenkasse für die Operation eines Grauen Stars während ihres Urlaubs in der Türkei zusteht.

Hintergrund

Klägerin ist eine türkischstämmige Frau, Jahrgang 1965, welche seit 2015 an einem beginnenden Katarakt (grauer Star) litt. Nachdem die Klägerin nach eigenen Angaben während eines Urlaubs in der Türkei im Jahr 2019 gestürzt sei, ließ sie an beiden Augen eine Linsenoperation in einer Privatklinik durchführen. Die dabei entstandenen Kosten von ca. 1.600 Euro wollte sie nun von ihrer Krankenkasse erstattet bekommen.

Die gesetzliche Krankenkasse sowie die private Auslandskrankenversicherung lehnten eine Erstattung ab. Sie begründeten, dass bei vorübergehenden Auslandsaufenthalten nur Notfallbehandlungen übernommen werden könnten. Grauer Star sei jedoch ein schleichender Prozess und kein Notfall.

Hiergegen klagte die Frau. Sie trug vor, dass es während ihres Urlaubs in der Türkei mit den Augen so schlimm geworden sei, dass sie gestürzt sei. Ihr sei schwarz vor Augen geworden und sie sei in größter Sorge gewesen, das Augenlicht zu verlieren. Es habe sich um einen Notfall gehandelt. Obwohl sie schon länger an Grauem Star erkrankt sei, könne ein „plötzlich bemerkter“ Sehverlust mit einem akuten Sehverlust verwechselt werden.

Die Entscheidung

Das LSG bestätigte die Rechtsauffassung der Krankenkasse.

Der Anspruch scheitere schon deshalb, weil die Klägerin sich als Privatpatientin in einer Privatklinik habe behandeln lassen. Der Leistungsumfang umfasse diesbezügliche Leistungen nicht.

Überdies habe bei der Klägerin kein medizinischer Zustand vorgelegen, der während des Türkei-Urlaubs an beiden Augen aufgetreten sei und einer sofortigen Behandlung bedurft hätte. Der behandelnde Augenarzt habe einen senilen Katarakt, d.h. eine Alterserkrankung diagnostiziert. Eine plötzliche Verschlechterung mit dringender Operationsindikation habe er ausgeschlossen. Grauer Star sei eine Alterserkrankung, die durch ein schleichendes Fortschreiten gekennzeichnet sei und nicht durch einen plötzlichen Sehverlust im Sinne eines Notfalls.

Grundsätzlich liegt ein Notfall dann vor, wenn ein unmittelbar auftretender Behandlungsbedarf aus medizinischen Gründen sofort befriedigt werden muss, also Gefahr für Leib oder Leben besteht. Eine Leistung ist unaufschiebbar, wenn die beantragte Leistung im Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Erbringung so dringlich ist, dass aus medizinischer Sicht keine Möglichkeit eines nennenswerten Aufschubs mehr besteht, um vor der Beschaffung die Entscheidung der Krankenkasse abzuwarten. Es darf aus medizinischen oder anderen Gründen nicht möglich oder zumutbar sein, vor der Beschaffung der Leistung die Krankenkasse einzuschalten.


RA Michael Lennartz

lennmed.de Rechtsanwälte

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