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Keine Leistungsdelegation an Assistenten ohne Genehmigung

Eine Leistungsdelegation an ärztliches Personal kommt nach dem LSG Bayern (Urteil vom 17.03.2021 - L 12 KA 126/16) im vertragsärztlichen Bereich nur in Betracht, wenn die Beschäftigung der betreffenden angestellten Ärzte oder Assistenten vom zuständigen Zulassungsausschuss genehmigt worden ist. Eine Einbindung ohne Genehmigung verletzt vertragsarztrechtliche Grundsätze und kann (auch finanziell existenzbedrohende) Sanktionen nach sich ziehen.

Der Hintergrund

Eine zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Fachärztin für Humangenetik bekam im Jahr 2009 von ihrer KV mitgeteilt, dass sie im Quartal 1/2008 die im Rahmen der Plausibilitätsprüfung maßgebliche Quartalsarbeitszeit erheblich überschritten habe. Darüber hinaus habe der Zeitumfang der abgerechneten Leistungen an 24 Tagen mehr als 12 Stunden betragen.

Die Ärztin nahm hierzu Stellung und trug u. a. vor, dass in ihrer Praxis zwei Weiterbildungsassistentinnen tätig seien. Im Laufe des Plausibilitätsverfahrens stellte sich jedoch heraus, dass die entsprechenden Genehmigungen sich nicht vollends mit der Leistungserbringung und Abrechnung des gesamten Prüfzeitraums deckten. Die KV nahm deshalb Anfang 2013 per Bescheid die Honorarbescheide für die Quartale 2/2007 bis 3/2010 zurück, setzte das Honorar neu fest und forderte einen Differenzbetrag von nahezu 2,5 Millionen € von der Humangenetikerin zurück, v. a., da diese durch die Beschäftigung von Weiterbildungsassistentinnen ohne Genehmigung die Pflicht zur peinlich genauen Leistungsabrechnung verletzt habe. Hiergegen erhob die Ärztin Widerspruch u.a. mit der Begründung, sie sei hinsichtlich der fehlenden Genehmigungen völlig arglos gewesen und zudem bei allen Behandlungs- und Untersuchungsschritten zumindest anleitend eingebunden gewesen, weshalb ihr die Leistungen auch zuzurechnen seien. Dies gelte insbesondere für die delegationsfähigen technischen Leistungen. Jedenfalls habe die Praxisinhaberin stets selbst die Indikationsstellung und die Schlussbefundung vorgenommen. Nichtsdestotrotz beschied die KV den Widerspruch abschlägig, denn sie glaubte der Humangenetikerin nicht, dass diese hinsichtlich der fehlenden Genehmigungen arglos gewesen sei und die beiden Weiterbildungsassistentinnen nicht im Wesentlichen nur delegationsfähige Leistungen erbracht und im Übrigen unter ständiger Aufsicht ihrer Weiterbilderin gestanden hätten. Letztendlich zog die Ärztin gegen den Widerspruchsbescheid vor Gericht, verlor jedoch in erster Instanz.

Die LSG-Entscheidung

Auch vor dem LSG unterlag die Ärztin, denn sie verstieß in den Quartalen 2/2007 bis 2/2010 gegen die Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung durch die Abrechnung von Leistungen, die sie weder selbst, noch ein mit Genehmigung tätiger Weiterbildungsassistent bzw. angestellter Arzt erbracht habe. Hintergrund dessen ist, das nach § 15 Abs. 1 S. 1 SGB V in Verbindung mit § 32 Abs. 1 S. 1 Ärzte-ZV und § 15 Abs. 1 S. 1 BMV-Ä an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Ärzte die Pflicht haben, die vertragsärztliche Tätigkeit persönlich auszuüben. Dieses Gebot der persönlichen Leistungserbringung diene der Qualitätssicherung und sei zwingend materielle Voraussetzung für jede ärztliche Tätigkeit in der vertragsärztlichen Versorgung. Und auch der Vergütungsanspruch hänge von der persönlichen Leistungserbringung ab. Bezüglich Leistungen, die nicht durch einen Vertragsarzt persönlich erbracht werden, bestehe ein Anspruch auf Vergütung daher nur, wenn die Voraussetzungen einer Ausnahmeregelung vorliegen. Das war hier allerdings nicht der Fall, insbesondere sei eine rückwirkende Assistentengenehmigung ausgeschlossen. Und, soweit delegierbare Leistungen von nachgeordnetem medizinischem Personal bzw. von nicht genehmigten Weiterbildungsassistenten erbracht würden, folge aus dem Gebot der persönlichen Leistungserbringung regelmäßig eine ärztliche Präsenzpflicht im Zusammenspiel mit den Arbeitszeiten der die Leistung durchführenden Mitarbeiter. Zudem handle grob fahrlässig, wer die Beschäftigung eines Weiterbildungsassistenten nicht rechtzeitig genehmigen lässt, obwohl ihm diese Obliegenheit als Vertragsarzt bekannt war. Daraus folgt, dass einem Vertragsarzt klar sein muss, dass die Einbindung nicht genehmigten medizinischen Personals in die vertragsärztliche Versorgung dazu führt, dass die von diesem erbrachten Leistungen nicht vergütungsfähig sind.

Fazit

Die Verpflichtung, sich als Vertrags(zahn)arzt die Anstellung von medizinischem Personal genehmigen zu lassen ist nicht nur eine bloße Formalie, sondern bares Geld wert. Sicherlich spielen bei dem vorbesprochenen Urteil und der immensen Höhe der zugrundeliegenden KV-Rückforderung auch der spezielle Fachbereich sowie eine vorstehend nicht besprochene Methode zum Nachweis chromosomaler Imbalancen (Array-CGH) – welche nach dem LSG nicht die Leistungslegende der GOP 11320 EBM erfüllt – eine Rolle. Aber trotzdem, das Unterlassen der Genehmigung eines Angestellten (Zahn)Arztes sowie Ausbildungs- oder Weiterbildungsassistenten ist grob fahrlässig und hinsichtlich der Vergütung brandgefährlich.


RAin van Hövell, LL.M. Medizinrecht

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