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Kostenlose Kopien von Patientenakten?

In einem sog. Vorabentscheidungsverfahren legte der Bundesgerichtshof (BGH) jüngst dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) einen Sachverhalt vor bzgl. Bestehen und Umfang des Anspruchs auf kostenfreie Zurverfügungstellung einer ersten Kopie von Patientenakten bzw. der darin verarbeiteten personenbezogenen Daten (Beschluss vom 29.03.2022 - Az. VI ZR 1352/20).

Der Sachverhalt

Ein Patient (Kläger) begehrte von seiner Zahnärztin (Beklagte) die unentgeltliche Herausgabe einer Kopie sämtlicher bei ihr existierender, ihn betreffender Krankenunterlagen. Hintergrund diesbezüglich war die Ansicht des Klägers, seine zahnmedizinische Behandlung durch die Beklagte sei fehlerhaft erfolgt. Die Beklagte war dagegen der Auffassung, sie müsse eine Kopie der Patientenunterlagen nur gegen Kostenerstattung zur Verfügung stellen. Das befasste Amtsgericht hatte der Klage stattgegeben und die daraufhin eingelegte Berufung wurde zurückgewiesen, sodass der BGH als Revisionsinstanz nunmehr das Verfahren zu entscheiden hat. Da es sich bei den streitentscheidenen gesetzlichen Regelungen auch um solche der Europäischen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) und damit um europäisches Recht handelt, will der BGH allerdings vorab durch den EuGH u.a. folgende Fragen klären lass

  • Gilt der unentgeltliche DSGVO-Auskunftsspruch auch dann, wenn die begehrte unentgeltliche Kopie nicht zu dem Zweck dient, sich der Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten bewusst zu werden und deren Rechtmäßigkeit überprüfen zu können, sondern einen anderen - datenschutzfremden, aber legitimen - Zweck (hier: die Prüfung des Bestehens arzthaftungsrechtlicher Ansprüche) verfolgt?
  • Falls ja, kommt bereits vor DSGVO-Inkrafttreten geltendes nationales Recht als Beschränkung des unentgeltlichen DSGVO-Anspruches in Betracht?
  • Umfasst die betreffende DSGVO-Norm im Arzt-Patienten-Verhältnis einen Anspruch auf Überlassung von Kopien aller die personenbezogenen Daten des Patienten enthaltenden Teile der Patientenakte oder ist er nur auf Herausgabe einer Kopie der personenbezogenen Daten des Patienten als solche gerichtet, wobei es dem datenverarbeitenden Arzt überlassen bleibt, in welcher Weise er dem betroffenen Patienten die Daten zusammenstellt?

Ausblick

Die Entscheidung des EuGH wird mit Spannung erwartet! Sie wird endlich Licht ins Dunkel zu bringen zu der Frage, ob und wenn ja in welchem Umfang deutsche (Zahn)Ärzte nunmehr kostenlos ihre Behandlungsunterlagen an die Patienten herausgegeben müssen. Das Landgericht Dresden hatte in einem ähnlichen Fall bereits im Frühjahr 2020 rechtskräftig entschieden, dass eine Patientin gegen die sie behandelnde Klinik einen unentgeltlichen Anspruch auf Kopien sämtlicher Behandlungsdaten hat (vgl. Urteil vom 29.05.2020, Az. 6 O 76/20). 

Allerdings wird die Entscheidung des EuGH eindeutig schwerer wiegen. Es bleibt also spannend.


RAin van Hövell, LL.M. Medizinrecht

lennmed.de Rechtsanwälte

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