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Kostenübernahme für Implantatversorgung im Oberkiefer

Das Landessozialgericht NRW hat sich mit Urteil am 06.06.2023 (AZ L 5 KR 739/22) mit der Frage befasst, ob bei einer Erkrankung an einer Zahnschmelzhypoplasie eine Ausnahmeindikation, die einen Kostenerstattungsanspruch des Versicherten begründet, vorliegt.

Hintergrund:

Die bei der Beklagten gesetzlich versicherte Klägerin begehrte die Kostenübernahme für eine Implantatversorgung im Oberkiefer aufgrund einer Amelogenesis imperfecta. Dabei handelt es sich um eine erblich bedingte Erkrankung der Zähne. Sie äußert sich durch eine angeborene Störung der Zahnschmelzbildung (Zahnschmelzhypoplasie), wodurch der Zahnschmelz unzureichend ausgebildet wird. Betroffene Zähne sind besonders empfindlich gegenüber Temperaturschwankungen und anfälliger für Karies. Schon im Jahr 2016 erhielt die Klägerin aufgrund des Zahnverlustes im Unterkiefer eine implantatgestützte Prothese, bei der sie die anfallenden Kosten selbst trug.

2018 beantragte die Klägerin dann die Kostenübernahme für eine Implantatversorgung im Oberkiefer in Höhe von circa 18.500 € bei der Beklagten. Die Krankenkasse leitete die Unterlagen an einen Gutachter weiter, der eine konventionelle Versorgung für möglich hielt und Implantatversorgung befürwortete , aber keine Ausnahmeindikation für eine Kostenübernahme der Implantate sah. Die Kasse lehnte den Antrag ab und bot nur einen Festzuschuss an. Die Klägerin widersprach unter Verweis auf Folgeschäden und ihr junges Alter. Trotz medizinischer Befürwortung durch den Gutachter und eine ärztliche Stellungnahme blieb die Kasse bei ihrer Ablehnung. Der Widerspruch wurde mit Verweis auf fehlende Ausnahmeindikationen abgewiesen. Die Klägerin klagte vor dem Sozialgericht Münster, das die Kasse zur Kostenübernahme verpflichtete. Diese legte Berufung ein.

Entscheidung:

Die Berufung  der Krankenkasse vor dem Landessozialgericht hatte Erfolg. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Kostenerstattung für ihre bereits durchgeführte Implantatversorgung. Nach § 28 SGB V zählten implantologische Leistungen nicht zum Leistungskatalog der vertragszahnärztlichen Versorgung und dürften daher auch nicht von den gesetzlichen Krankenkassen bezuschusst werden. Eine Ausnahme hiervon bestehe lediglich bei besonders schweren Einzelfällen, in denen seltene, vom Gemeinsamen Bundesausschuss gemäß § 92 SGB V definierte Ausnahmeindikationen vorliegen. In solchen Fällen könne die Krankenkasse die implantologische Versorgung einschließlich der Suprakonstruktion im Rahmen einer medizinischen Gesamtbehandlung als Sachleistung übernehmen. Eine solche Gesamtbehandlung setze jedoch voraus, dass sie sich aus mehreren, sowohl human- als auch zahnmedizinisch notwendigen Komponenten zusammensetze und nicht auf einen einzelnen Teilbereich beschränkt bleibe.

Bei der Klägerin lägen aber keine dieser Ausnahmeindikationen vor. Und selbst wenn eine Ausnahmeindikation vorgelegen hätte, wäre eine günstigere und medizinisch ausreichende Versorgung mit vier statt acht Implantaten möglich gewesen. Eine Versorgung mit einer Totalprothese im Oberkiefer sei grundsätzlich möglich gewesen. Zwar biete eine solche Prothese nicht die Funktionalität der implantatgestützte Alternativen, dennoch hätte sie ausgereicht, um die Kaufähigkeit im Allgemeinen wiederherzustellen, die Klägerin in akustischer und ästhetischer Hinsicht zu rehabilitieren sowie eine ausreichende, kalorisch und nährstoffhaltige Ernährung zu gewährleisten.


RA Michael Lennartz

lennmed.de Rechtsanwälte

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