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Krankenhaus haftet für verschwundene Zahnprothese eines Patienten

Das Amtsgericht Nürnberg urteilte jüngst, dass ein Krankenhaus zur Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld verpflichtet ist, wenn die Zahn­pro­the­se eines Pa­ti­en­ten wäh­rend eines Kran­ken­haus­auf­ent­hal­tes abhandenkommt und der Patient in der Folge für längere Zeit ohne Zahnersatz auskommen muss (vgl. Pressemitteilung AG Nürnberg, Urteil vom 23. Juni 2021, Az.: 19 C 867/21)

Der Fall

Im Sommer 2020 befand sich der klagende Patient für eine stationäre Operation sechs Tage im beklagten Krankenhaus. Unmittelbar vor dem Eingriff musste er seine bewegliche Zahnprothese – welche ca. ein Jahr alt war – ablegen und gab diese in einen speziellen Behälter. Nach der erfolgreichen Operation wurde der Patient auf eine andere Station verlegt und erhielt dort seine persönlichen Dinge zurück. Die Zahnprothese fehlte allerdings und war in der Folge auch nicht mehr auffindbar. Der Patient verlangte deswegen zeitnah Abhilfe vom Krankenhaus, dessen Versicherung allerdings die Kostenübernahme für eine Neuanfertigung ablehnte aufgrund ihrer Ansicht, dass zunächst die gesetzliche Krankenversicherung des Klägers hierfür zahlen müssen. In der Folge verfügte der Patient über drei Monate über keinen Zahnersatz und erlitt hierdurch erhebliche Beeinträchtigung bei der Nahrungsaufnahme. Im Herbst 2020 ließ er schließlich eine neue Prothese auf eigene Kosten anfertigen. Mit seiner Klage gegen das Krankenhaus verlangte der Patient nun die diesbezüglichen Kosten ersetzt und zusätzlich Schmerzensgeld.

Nebenpflicht aus Behandlungsvertrag

Das Amtsgericht Nürnberg gab der Klage statt und sprach dem Kläger neben dem Ersatz der Neuanfertigungskosten auch ein Schmerzensgeld in Höhe von 500 EUR zu. Nach Ansicht des Gerichts war das beklagte Krankenhaus im Rahmen des Behandlungsvertrages auch verpflichtet, die Zahnprothese des Klägers ordnungsgemäß aufzubewahren. Indem diese nach der Operation trotz der Verwahrung im Spezialbehältnis nicht mehr auffindbar war, sei diese Nebenpflicht verletzt worden. Auch treffe den Kläger kein Mitverschulden, insbesondere nicht durch seine Eigeninitiative, sich selbst nach ca. drei Monaten eine neue Prothese zu beschaffen, schließlich habe er dem beklagten Krankenhaus den Verlust unverzüglich gemeldet und in diesem Zusammenhang auch um Abhilfe gebeten. Ebenso wenig hatte die Krankenversicherung des Klägers für die Kosten der Neuanfertigung einzustehen und auch das Alter der Prothese führe nicht zu einer Kürzung der Ansprüche des Klägers, denn diese hätte noch viele Jahre genutzt werden können und eine erst irgendwann erforderliche Neuanfertigung wäre von der Krankenversicherung zu tragen gewesen. Im Übrigen seien für die drei Monate währenden starken Beeinträchtigungen der Lebensqualität des Klägers 500 EUR Schmerzensgeld angemessen, vor allem deswegen, da die Nahrungsauswahl lediglich auf weiche Kost beschränkt gewesen sei und bei nur wenig verbleibenden Zähnen im Oberkiefer die Nahrungsaufnahme ohne Prothese Schmerzen bereitet habe.

Fazit

Nicht nur die direkten (zahn-)ärztlichen Pflichten aus einem Behandlungsvertrag verlangen eine sorgfältige Erledigung, auch Nebenpflichten wie die Aufbewahrung von anvertrauten Patienteneigentum sind hiervon umfasst. Es ist deswegen absolut empfehlenswert das eigene Personal diesbezüglich genau einzuweisen und einen organisatorischen Rahmen dafür zu schaffen, dass auch Nebenpflichten wie die ordnungsgemäße Aufbewahrung von Patienteneigentum reibungslos erfüllt werden können. 


Rechtsanwältin Walburga van Hövell
lennmed.de Rechtsanwälte
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