Skip to main content

Schadensersatz für selbstständigen Zahnarzt nach Verkehrsunfall

Das OLG Saarbrücken hat sich in seinem Urteil vom 17.01.2025 (3 U 6/24) mit der Frage befasst, in welchem Umfang einem freiberuflich tätigen Zahnarzt im Alter von fast 75 Jahren Schadensersatzansprüche in Form eines Verdienstausfallschadens und einer Praxiswertminderung zustehen.

 

Hintergrund

Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall, bei dem der Kläger, ein freiberuflich tätiger Zahnarzt, Verletzungen an beiden Handgelenken erlitt.

In erster Instanz begehrte der Kläger die Zahlung von über 311.000 €, bestehend aus Verdienstausfall, Haushaltsführungsschaden sowie einer Minderung des Praxiswerts. Das Landgericht sprach ihm circa 170.000 € nebst gestaffelten Zinsen zu, wies die Klage im Übrigen aber ab, da ein Vermögensschaden durch eine Minderung des Praxiswerts mangels konkreter Darlegung nicht nachweisbar war.

Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger seinen Anspruch auf weiteren Verdienstausfall sowie auf Ersatz für eine Minderung des Praxiswerts weiter.

 

Entscheidung 

Das Oberlandesgericht Saarbrücken ändert das landgerichtliche Urteil teilweise ab und spricht dem Kläger weitergehende Verzugszinsen zu. Für eine unfallunabhängige Fortführung der vollen Erwerbstätigkeit des Klägers würden jedoch keine hinreichenden Anhaltspunkte bestehen. Maßgeblich für die Schadensberechnung sei eine Prognose über den hypothetischen Geschäftsverlauf ohne den Unfall. Dabei sei auf die Entwicklung der Zahnarztpraxis in den letzten Jahren vor dem Verkehrsunfall abzustellen. Das Landgericht habe dabei zutreffend das Bruttoeinkommen des Klägers herangezogen.

Zwar sei der Kläger im Unfallzeitpunkt bereits 68 Jahre alt und weiterhin erwerbstätig gewesen, doch belegten Umstände wie der seit 2018 angestrebte Verkauf der Praxis sowie die ab 2020 fehlende Inanspruchnahme von Vertretungszahnärzten eine schrittweise Reduzierung der Tätigkeit. Zudem habe der Kläger im Juni 2021 alle Mitarbeiter entlassen und die Praxis fortan nur noch in reduziertem Umfang mit seiner Ehefrau geführt.

Aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung sei davon auszugehen, dass die Arbeitskraft mit zunehmendem Alter nachlässt und eine volle Erwerbstätigkeit über das 70. Lebensjahr hinaus nicht regelmäßig aufrechterhalten wird. Selbstständige, die das gesetzliche Rentenalter überschritten haben, reduzierten ihre Tätigkeit typischerweise schrittweise. Angesichts dieser Umstände sei nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit feststellbar, dass der Kläger ohne den Unfall noch voll erwerbstätig gewesen wäre.

Ein Schadensersatzanspruch wegen eines unfallbedingten Mindererlöses bei Verkauf der Praxis bestehe nicht. Zwar sei ein solcher Anspruch grundsätzlich denkbar, wenn eine Betriebsaufgabe oder ein Verkauf aufgrund des Unfalles zu einem geringeren Verkaufserlös führe, im vorliegenden Fall fehle es jedoch an einer konkreten Schadensmanifestation, da die Praxis bislang nicht verkauft wurde. 

Ein fiktiver Schaden könne nicht ersetzt werden. Nach der anerkannten Bewertungsmethode für Zahnarztpraxen sei für die Bestimmung des Unternehmenswerts der durchschnittliche Umsatz der letzten drei Jahre vor dem Verkaufszeitpunkt maßgeblich. Da der Kläger seine Praxis weiterhin betreibe könne ein etwaiger Mindererlös noch nicht beziffert werden.

Zudem stehe im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung fest, dass ein unfallbedingter Mindererlös nicht eintreten wird. Denn nach der vollständigen Reduzierung des Praxisbetriebs im Jahr 2021 sei nicht ersichtlich, dass die künftigen Umsätze hinter denjenigen zurückbleiben, die ohne den Unfall erzielt worden wären. Der Kläger werde bei einem späteren Verkauf den marktüblichen Preis erzielen können, sodass ein finanzieller Nachteil durch den Unfall nicht mehr zu erwarten sei.


RA Michael Lennartz

lennmed.de Rechtsanwälte

Bonn | Berlin | Baden-Baden