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Über den Umfang der Aufklärung zu Behandlungsalternativen

Das Oberlandesgericht Hamm befasste sich zuletzt in einer Entscheidung (Urteil vom 15. Februar 2022, Az. 26 U 21/21) mit der Frage, in welchem Umfang über Behandlungsalternativen aufgeklärt werden müsse.

Der Hintergrund

In dem der Entscheidung zu Grunde liegenden Sachverhalt ging es um eine damals 47 jährige Patientin, der vom Orthopäden K eine Epikondylitis humeri radialis rechts (sog. Tennisarm/Tennisellenbogen) diagnostiziert wurde. Diese sollte mit einer Injektion (Triam/Xylo) behandelt werden.

Vor den Injektion unterzeichnete die Patientin ein Aufklärungsblatt, welches ebenfalls von K unterschrieben wurde. Zwischen den Parteien ist streitig, ob und in welchem Umfang zuvor ein Aufklärungsgespräch stattgefunden habe.

Der Orthopäde K setzte der Patientin eine subkutane Injektion, wobei er weder Handschuhe noch einen Mundschutz trug. Die Injektionsstelle benetzte er jedoch mehrfach mit Alkohol. In der Folgezeit entwickelte die Patientin Schmerzen. Es wurde schließlich in einer anderen orthopädischen Praxis eine Infektion mit Staphylococcus aureus im Ellenbogen diagnostiziert. Sie leidet nun an einer Bewegungseinschränkung und Bindegewebesadhäsionen.

Die Patientin warf der beklagten Arztpraxis einen Aufklärungsfehler vor. Sie sei nicht darüber aufgeklärt worden, dass sie auch konservativ hätte behandelt werden können. Da sie nur moderate Beschwerden gehabt hätte, hätte sie sich die Injektion dann noch einmal überlegt. Ihre Klage wurde vom Landgericht als unbegründet abgewiesen. Dagegen legte sie Berufung ein.

Die Entscheidung

Die Berufung vor dem OLG Hamm hatte nun Erfolg. Es wurde der Patientin unter anderem ein Schmerzensgeld in Höhe von 25.000 € zugesprochen.

Die Beklagte habe den ihr obliegenden Beweis einer ausreichenden Aufklärung der Klägerin vor der Injektion bei der ersten Behandlung nicht erbracht. Die Aufklärung sei sowohl in Hinblick auf die geschuldete Aufklärung über Behandlungsalternativen als auch über die Erfolgsaussichten der Injektionstherapie defizitär gewesen.

Aufklärung über Alternativen

Wegen der nur geringen Beschwerden sei die Behandlung nur relativ indiziert gewesen.

Einer von mehreren angehörten Sachverständigen führte aus, dass die Therapie des sogenannten „Tennisellenbogens“ seit Jahrzehnten äußerst umstritten sei. Nichtoperative Therapiemethoden (= Medikamente, Infiltrationstherapie, physikalische Therapie und ruhigstellende Maßnahmen) würden in der AWMF-Leitlinie hierzu aus 2011 gleichrangig in den Vordergrund gestellt.

Das OLG Hamm schloss sich dieser Ansicht an. Das OLG konnte eine notwendige Aufklärung über diese Behandlungsalternativen wie beispielsweise eine physikalische Therapie nicht erkennen. Der von der Patientin (Klägerin) unterzeichnete Aufklärungsbogen sprach dagegen nur über Risiken.

Darüber hinaus könne sich die Beklagte auch nicht darauf stützen, dass in ihrer Behandlungsdokumentation notiert ist, dass die Injektion "nach Aufklärung" erfolgt sei. Denn die elektronische Behandlungsdokumentation sei nachträglich geändert worden, ohne dass dies entsprechend § 630 f Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB erkennbar gemacht worden ist. Damit fehle es der Behandlungsdokumentation bereits an der für die Annahme einer Indizwirkung erforderlichen Überzeugungskraft und Zuverlässigkeit.

Im Übrigen ließen sich ihr auch keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine Aufklärung über Behandlungsalternativen entnehmen, da sich der Begriff „Aufklärung" auch lediglich auf die Risikoaufklärung beziehen könne.

Zudem sei die Klägerin auch nicht ausreichend über die eingeschränkten Erfolgsaussichten der bei ihr vorgenommenen Injektionsbehandlung aufgeklärt worden. Nach den Ausführungen des Sachverständigen liege die Erfolgsaussicht nur bei rund 30%. Über die Erfolgsaussichten einer Behandlung sei nach BGH-Rechtsprechung jedenfalls dann aufzuklären, wenn das Misserfolgsrisiko hoch und die Indikation zweifelhaft ist, wie es vorliegend der Fall war.

Fazit

Es ist dringend anzuraten, gut zu dokumentieren, damit die Beweisführung in etwaigen Haftungsprozessen gelingt. Die nachträgliche Abänderung der Behandlungsdokumentation mag zwar üblich sein, stellt aber ein Problem dar, wenn sie nicht gemäß § 630 f Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB erkennbar gemacht worden ist. Dies kann wie im vorliegenden Fall jedwede indizielle Beweiswirkung für eine umfassende Aufklärung nivellieren.


Robert Prümper

lennmed.de Rechtsanwälte

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