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VGH Hessen: HI-Virus Infizierter im Zahnmedizinstudium

Der Verwaltungsgerichtshof Hessen (VGH) befasste sich am 01.02.2022 in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren (Az. 10 B 2508/21) mit der Frage, inwieweit ein mit dem HI-Virus infizierter Zahnmedizinstudent an Praxisveranstaltungen teilnehmen darf. Der Beschluss fand dabei vielseits Beachtung, wobei die Entscheidung eine Kontroverse ausgelöst hat.

Der Sachverhalt

Nach Beendigung des theoretischen Teils wurde dem mit dem HI-Virus infizierten Zahnmedizinstudenten seitens der Universität Marburg mitgeteilt, dass er von den folgenden Praxiskursen ausgeschlossen sei. Aufgrund des Virus dürfe er nicht an Kursen mit Patientenkontakt und an Übungen der Studierenden im kommenden Semester teilnehmen.

Darüber hinaus sollte er nach diesem (ohne Teilnahme an praktischen Kursen auszusitzendem) Semester monatlich auf eigene Kosten einen Labornachweis erbringen. Bei einer Viruslast unterhalb einer Nachweisgrenze (dazu später mehr) sollte sich sodann eine eingesetzte Expertenkommission mit der Erlaubnis zur Wiederaufnahme des Studiums befassen.

Dagegen ging der Student nach kurzer Zeit mittels Widerspruchs vor. Hierfür hatte der Student extra die Expertise zweier Gutachter eingeholt, die ihm seine Ansicht dahingehend bestätigten, dass eine derart hohe Gefahr von ihm nicht ausgehe, die eine monatliche Testung rechtfertigen würde.

Dieser Widerspruch blieb jedoch unbeantwortet. Als ihm sodann die Betriebsärztin aufgrund fehlender monatlicher Testungen, die der Student nach kurzer Zeit eingestellt hatte, den Unbedenklichkeitsnachweis versagte, zog der Student vor Gericht.

Der Prozess vor dem VG Gießen

Vor dem VG Gießen beabsichtigte der Zahnmedizinstudent mithilfe einer einstweiligen Verfügung am Unterricht wieder unmittelbar teilnehmen zu dürfen. Darüber hinaus reichte er auch Klage gegen die ursprüngliche Anweisung der Universität zur monatlichen Testung ein.

Die Uni reagierte daraufhin mit dem Ausschluss von sämtlichen Lehrveranstaltungen.

Das VG Gießen gab indes dem Medizinstudenten im einstweiligen Rechtsschutzverfahren recht, wonach ihm sofort Zugang zu den Lehrveranstaltungen gewährt werden müsse. Nur bei risikoträchtigen Veranstaltungen müsse der Nachweis über eine geringe Viruslast erbracht werden. Der gänzliche Ausschluss wurde zudem als unverhältnismäßig angesehen.

Dagegen ging nun wieder die Universität Marburg vor und erhob Beschwerde vor dem VGH Hessen.

Die Entscheidung des VGH Hessen

Dieser hob die Entscheidung des VG Gießen zur sofortigen Teilnahme an sämtlichen Veranstaltungen wieder auf. Dabei wurde den Anführungen der Universität recht gegeben, wonach dem Zahnmedizinstudenten keine wesentlichen Nachteile entstünden, wenn er die Veranstaltungen in einem späteren Semester nachhole, weil bereits große Teile verpasst worden seien. Auch bestehe grade bei den Praxiskursen ein erhöhtes Verletzungsrisiko. So würden gerade in den streitgegenständlichen Lehrveranstaltungen die Studierenden untereinander Übungen durchführen, die mit der Benutzung medizinischer Instrumente verbunden seien. Dabei kämen auch scharfe Instrumente zum Einsatz, die zu Verletzungen führen können und wegen der noch nicht eingeübten Nutzung der Instrumente auch häufig zu Verletzungen führten.

Zudem wurde die Expertise der Gutachter angezweifelt, da diese Human- und keine Zahnmediziner seien und aus deren Stellungnahme nicht ausreichend hervorgehe, die unterschiedlichen Umstände bei den Lehrveranstaltungen umfassend berücksichtigt zu haben.

Bezüglich Testung

Ohne dass es für die Entscheidung der Beschwerde erheblich war, wies der VGH noch darauf hin, dass eine Teilnahme komplett ohne Testung sehr bedenklich sei. Demnach seien Begehren des Medizinstudenten im Hauptsacheverfahren, die auf eine vollständige Aussetzung der Testung hinausliefen, wenig aussichtsreich.

Das Gericht bezog sich dafür auf eines der beiden vom Studenten eingereichten Gutachten, welches eine regelmäßige Kontrolle für notwendig erachte. Jedoch könne nach diesem Gutachten eine vierteljährliche Kontrolle ausreichen und eine Virenlast von nicht mehr als 200 Kopien pro Milliliter bereits als unbedenklich erscheinen, wenn jedenfalls Therapieadhärenz bestünde. So sei das von der Universität geforderte monatlich einzureichende Ergebnis mit einer Viruslast von unter 50 Kopien laut Gutachter „absolut unverhältnismäßig“. Dagegen widersprach das Gericht nicht.

Es sah in der vierteljährlichen Kontrolle nur eine Mindestanforderung, welcher der Medizinstudent indes nicht einmal nachgekommen sei.

Fazit

Die Entscheidung ist gravierend für den Zahnmedizinstudenten. Dass der Medizinstudent komplett ohne mindestens quartalsmäßige Testung an risikoreichen Veranstaltungen teilnehmen wollte, kann jedoch auch nicht unbeachtet bleiben. Diese Testungsart wurde schließlich von den Gutachtern empfohlen, die er engagiert hatte. Inwiefern die Kosten einzig auf ihn hätten fallen sollen, wäre sodann eine weitere im Einvernehmen zu klärende Frage gewesen.


RA Michael Lennartz

lennmed.de Rechtsanwälte

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