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Wann verjährt Urlaub?

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) urteilte am 22.09.2022 (Az. C-120/21), dass Urlaubsansprüche nur verjähren, sofern ein Arbeitnehmer über seinen Urlaubsanspruch unterrichtet wurde.

Hintergrund

Nach deutschem Recht verjähren die allermeisten Ansprüche nach drei Jahren. Bezogen auf Urlaubsansprüche von Arbeitnehmern hatte der EuGH nun zu beurteilen, wann bzgl. Urlaubsansprüchen diese Frist zu laufen beginnt.

Der Ausgangsfall

Eine Arbeitnehmerin und ihr Arbeitgeber stritten sich nach Ende des gegenseitigen Arbeitsverhältnisses um die monetäre Abgeltung nicht genommener Urlaubstage. Unstreitig diesbezüglich war, dass die Arbeitnehmerin im Jahr 2011 und auch in vorherigen Jahren den ihr zustehenden Jahresurlaub von 24 Tagen wegen hohen Arbeitspensums nicht vollständig nehmen konnte. Anfang 2012 bestätigte der Arbeitgeber 76 nicht genommene Urlaubstage. Diese würden auch nicht am 31.03.2012 verfallen. Doch auch danach konnte die Arbeitnehmerin ihre Urlaubstage nicht zur Gänze nehmen, ein Hinweis des Arbeitsgebers den Urlaub zu nehmen und dass dieser verfallen würde, erfolgte jedoch nicht. Nach Ende des Arbeitsverhältnisses verlangte die Arbeitnehmerin 2018 die Abgeltung von 101 Urlaubstagen, was der Arbeitgeber aber unter Verweis auf die Verjährung der Ansprüche ablehnte.

In erster Instanz verlor die Arbeitnehmerin, in zweiter Instanz wiederum der Arbeitgeber. Der Fall kam in der Folge zum Bundesarbeitsgericht, welches dem EuGH die Sache mit folgender Fragestellung weiterleitete: Verjährt der Urlaubsanspruch der Arbeitnehmerin entsprechend den deutschen Regelungen, obwohl der Arbeitgeber seiner Hinweispflicht hinsichtlich des drohenden Urlaubsverfalls nicht nachgekommen ist?

Die EuGH-Entscheidung

Bevor die EuGH-Richter ihr Urteil fällten, führte der Generalanwalt am EuGH bereits aus, dass er es für den Verjährungsbeginn für erforderlich halte, dass ein Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber über seine Rechte aufgeklärt und entsprechend informiert worden sein muss. Nur wenn das passiert sei, könne sich ein Arbeitgeber dann auf die Verjährung berufen; andersrum gesagt, ein Arbeitgeber solle nicht dafür belohnt werden, wenn er eine ihm obliegende Hinweispflicht verletzte. Diesem Votum schlossen sich die EuGH-Richter an, denn notwendig sei die positive Kenntnis einer Rechtslage, um den Beginn der Verjährung auszulösen; allein die Kenntnis der tatsächlichen Umstände reiche dafür nicht.

Fazit

Arbeitgeber sollten den genommenen Urlaub ihrer Arbeitnehmer nachhalten. Stellt sich heraus, dass ein Arbeitnehmer den ihm zustehenden Urlaub in einem Jahr nicht vollständig genommen hat und dieser zu verfallen droht, ist der Arbeitnehmer auf beides hinzuweisen. Und das aus jetziger Sicht sicherheitshalber auch in den Fällen, in denen arbeitsvertraglich Ausschlussfristen hinsichtlich des Urlaubs vereinbart sind, um unnötige finanzielle Risiken zu vermeiden. Denn eines ist klar, der EuGH hat durch seine hier besprochene Entscheidung Arbeitnehmerrechte deutlich gestärkt – das kann auch Auswirkungen auf allgemeine vertragliche Regelungen haben.


Rechtsanwältin Walburga van Hövell, LL.M. (Medizinrecht)

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