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Zahnärztliches Werberecht: Unzulässige Bezeichnung als „Fachpraxis für Kieferorthopädie“

Die Verwendung der Bezeichnung “Fachpraxis für Kieferorthopädie” ist irreführend, wenn der Zahnarzt die nach Weiterbildungsrecht vorgesehene Bezeichnung als “Fachzahnarzt für Kieferorthopädie” nicht erworben hat. Das entschied das Landgericht (LG) Aurich mit Urteil vom 01.09.2020 - 3 O 25/20

Was war geschehen?

Der beklagte Zahnarzt, der in S. eine Praxis betreibt, schaltete eine Stellenanzeige mit dem Hinweis „KFO-Fachpraxis Dr. F. J. R.“. Er verfügt über einen in Österreich erworbenen Master of Science „Kieferorthopädie“, der ihn qualifiziert und befähigt kieferorthopädische Behandlungen durchzuführen, nicht aber über einen von der Niedersächsischen Landeszahnärztekammer anerkannten Fachzahnarzttitel „Fachzahnarzt für Kieferorthopädie“ nach der Fachzahnarztordnung. Diese Stellenanzeige nahm der Kläger, ein Verein zur Förderung gewerblicher Interessen, zum Anlass und mahnte den Beklagten wegen der Irreführung der verwendeten Bezeichnung „Fachpraxis“ ab und forderte ihn sowohl zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung als auch zur Übernahme der Abmahnkosten auf. Nachdem der Zahnarzt die Abmahnung zurückgewiesen hatte, nahm der Verein ihn vor dem Landgericht auf Unterlassung in Anspruch. 

Die Entscheidung

Zu Recht, wie das LG Aurich entschied. Die Verwendung der Begriffe „KFO-Fachpraxis“ und „Fachpraxis für Kieferorthopädie“ sei unter den gegebenen Umständen irreführend i.S.d. § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 UWG (Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb).

Die Verwendung dieser Begriffe in der Stellenanzeige sowie auf dem vormaligen Praxisschild des Beklagten stelle eine geschäftliche Handlung i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG dar, die geeignet sei, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen. Diese sei vorliegend auch irreführend, da sie eine zur Täuschung geeignete Angabe über die Befähigung der Person des Zahnarztes enthalte. 

Gegen § 5 Abs. 1 Nr. 3 UWG verstoße, wer in irreführender Weise u. a. Tätigkeits- oder Berufsbezeichnungen verwende, die das Vertrauen der Verbraucher gewinnen und ihre Nachfrageentscheidung anregen sollen. Insbesondere könne eine Irreführung durch die Beifügung eines Fachgebiets zur Berufsangabe Zahnarzt, beziehungsweise durch Angaben, die als solche Gebietsbezeichnung wirken, verursacht werden, weil sie vom Verkehr entsprechend der geltenden Rechtslage so verstanden werden, dass sie nach einer entsprechenden Weiterbildung in einem geordneten Verfahren durch die zuständigen inländischen Stellen verliehen worden seien.  

Die in Rede stehenden Angaben richteten sich an jeden potentiellen Patienten des Beklagten. Für das Praxisschild sei das offensichtlich, da sich sowohl ein potentieller Patient als Passant als auch ein Patient vor Betreten der Praxis unweigerlich dem Praxisschild gegenübersehe. Auch die Stellenanzeige werde von potentiellen Patienten wahrgenommen, welche als interessierte und aufmerksame Zeitungsleser – selbst beim Überfliegen – der Stellenanzeigen die Verwendung des Begriffes „KFO-Fachpraxis“ wahrnehmen.

Maßstab dafür, wie eine geschäftliche Handlung verstanden werde, sei die Auffassung des durchschnittlichen informierten und verständigen Verbrauchers, der den Angaben die in der Situation angemessene Aufmerksamkeit entgegenbringe.  Diesem Verbraucher seien zwar die Begriffsbestimmungen und Fachzahnarztverleihungen nach der Berufsordnung der Zahnärzte bzw. Zahnärztekammern und die einschlägige Fachliteratur nicht bekannt. Der Begriff „Facharzt“ stehe aber für eine Spezialisierung, die durch die Erlangung entsprechender Kenntnisse nachgewiesen werde und damit zur Führung der Facharztbezeichnung berechtige.  

Fachzahnarzt relevant

Der angesprochene Verkehr verstehe die Begriffe „KFO-Fachpraxis“ und „Fachpraxis für Kieferorthopädie“ also tatsächlich so, dass durch die Verwendung des Präfixes „Fach-“ die Vermutung erweckt werde, in der Praxis wäre ein Fachzahnarzt im Sinne der Berufsordnung tätig. Der Verbraucher entwickele eine Vorstellung von gewissen Mindeststandards und Qualifikationen und erwarte daher eine Spezialisierung auf das Fachgebiet und eine formalisierte Zusatzqualifikation. Diese höchste Qualifikationsstufe erwarte der Verbraucher, wenn er mit einem Begriff wie „KFO-Fachpraxis“ oder „Fachpraxis für Kieferorthopädie“ konfrontiert werde. 

Die Verwendung dieser Begriffe, die den Fachzahnärzten vorbehalten bleibe, stelle daher eine sonstige zur Täuschung geeignete Angabe dar, da sie geeignet sei, bei einem erheblichen Teil der Patienten, die nach einem Zahnarzt suchen, den falschen Eindruck zu vermitteln, es handele sich bei dem Beklagten um einen Fachzahnarzt für Kieferorthopädie.

Es liege auf der Hand, dass die Irreführung über derlei positive Merkmale eines Zahnarztes, d. h. dass der gesuchte Arzt auf dem gesuchten Fachgebiet über die höchstmögliche Qualifikation verfügt, für die Marktentscheidung des Verbrauchers von Bedeutung und damit wettbewerblich relevant i.S.v. § 5 UWG sei.  Patienten, die einen Zahnarzt suchen, würden sich bei der Auswahl des Zahnarztes an solchen Angaben, die für eine Auswahl wichtig seien, orientieren. Die Verwendung der Begriffe „KFO-Fachpraxis“ und „Fachpraxis für Kieferorthopädie“ seien darüber hinaus geeignet, den Wettbewerb zum Nachteil von anderen Zahnärzten, insbesondere von Fachzahnärzten für Kieferorthopädie in relevanter Weise zu beeinflussen.

Kein Bedeutungswandel

Dem Argument des Beklagten, es vollziehe sich aktuell ein Bedeutungswandel gerade im Hinblick auf die Verwendung der streitgegenständlichen Begriffe, wollte das Gericht nicht folgen. 

Ein Bedeutungswandel, in der Gestalt, dass die verwendeten Begriffe im größeren Umfang im Verkehr Eingang gefunden haben und dem Beklagten daher eine Verwendung zuzubilligen wäre, sei bisher jedenfalls nicht erkennbar. Es sei nicht ersichtlich, dass der Verkehr in größerem Umfang zwischen einem Fachzahnarzt im Sinne der Berufsordnungen und einem Zahnarzt mit Zusatzqualifikationen wie einem Master of Science, zu unterscheiden vermöge.  

Auch sei keine langjährige Nutzung der Begriffe durch den Beklagten ersichtlich. Im Übrigen stehe der Umstand, dass eine irreführende Bezeichnung langjährig unbeanstandet benutzt werden konnte, für sich betrachtet der Durchsetzung des Irreführungsverbots nicht zwingend entgegen. Der Werbende könne niemals ein überwiegendes schutzwürdiges Interesse an der Aufrechterhaltung einer das Publikum irreführenden Werbeangabe haben. 

Gegen das Urteil wurde Berufung zum Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg eingelegt. Das Verfahren wird dort unter dem Aktenzeichen 6 U 263/20 geführt. Ein spannender Fall, den wir für Sie verfolgen werden.


RAin Bita Foroghi LL.M. oec.
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