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Zulässigkeit der Abrechnung eines kalkulatorischen Gewinnanteils bei eigenem Praxislabor

Zahnärzte, die zahntechnische Leistungen in einem eigenen Praxislabor erbringen, dürfen im Rahmen des § 9 Abs. 1 GOZ einen angemessenen kalkulatorischen Gewinnanteil abrechnen. Das entschied das Landgericht Darmstadt (Urteil vom 15.03.2021 – 18 O 33/20) in einem wettbewerbsrechtlichen Verfahren.

Was war geschehen?

Ein Wettbewerbsverband hatte gegen eine führende Herstellerin von Dentalprodukten und -technologien für Zahnärzte und Zahntechniker geklagt, die ein von ihr vertriebenes CAD/CAM-gestütztes System für die Restauration von Zahndefekten in Informationsbroschüren u.a. mit

„Neben den zahnärztlichen Leistungen regelt § 9 der GOZ die individuelle Kalkulation der Laborkosten und erlaubt abweichend von dem BEL II oder der BEB eine eigene Kalkulation der tatsächlich entstandenen Laborkosten.“

und

„Mit […] wandelt der Zahnarzt Fremdlaborkosten in Eigenlaborgewinn um.“ und „Die Berechnung der Wirtschaftlichkeit eines CAD/CAM-Systems scheint auf den ersten Blick einfach. Legt man eine Leasingrate für ein solches Gerät in Höhe von 1.543,40 € zugrunde und wird dem Patienten für die Krone 270 € Laborkostenanteil zusätzlich zum Honorar in Rechnung gestellt, so verbleiben nach Abzug des Verbrauchsmaterials von 25,50 € (inkl. Strom) 244,50. Bei dieser ‚Kalkulation‘ rechnet sich die Investitionen schon ab 6 Restaurationen.“

beworben hatte. Dies hatte der Wettbewerbsverband zum Anlass genommen und die Herstellerin abgemahnt. Nachdem diese die Abmahnung zurückgewiesen hatte, nahm der Wettbewerbsverband diese gerichtlich auf Unterlassung in Anspruch.

Kein Anspruch auf Unterlassung

Das Gericht verneinte den Unterlassungsanspruch. Die Beklagte habe keinerlei Aussagen getroffen, die einzeln oder in ihrer Gesamtschau wettbewerbsrechtlich zu beanstanden seien. Insbesondere stelle es keinen Verstoß gegen Vorschriften des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) dar, wenn in den verwandten Werbebroschüren der Eindruck vermittelt werde, dass Zahnärzte, die mit dem […] -System erbrachte Leistungen abrechneten, im Rahmen des Ersatzes von Auslagen für zahntechnische Leistungen gemäß § 9 Abs. 1 GOZ einen angemessenen kalkulatorischen Gewinnanteil abrechnen dürften.

Kalkulatorischer Gewinnanteil nicht grundsätzlich unzulässig!

Im Rahmen der Abrechnung zahntechnischer Leistungen nach § 9 Abs. 1 GOZ, die in einem eigenen Praxislabor erbracht würden, sei die Abrechnung eines angemessenen kalkulatorischen Gewinnanteils durch den Zahnarzt nicht per se unzulässig (mit Verweis auf OLG Köln, Urteil vom 30.9.1998 – 5 U 168/96).

Dabei setzte sich das Gericht sehr ausführlich sowohl mit den Gesetzesmaterialen zu § 9 GOZ als auch dem Sinn und Zweck der Regelung auseinander.

Aus den Gesetzesmaterialien gehe hervor, dass die Abrechnung einer Gewinnmarge für Arbeiten, die im praxiseigenen Labor gefertigt wurden, zulässig sein sollen. Entsprechend laute es im Regierungsentwurf (BR-Drucks 276/87) zu § 9 GOZ ausdrücklich: „Auch für zahntechnische Leistungen, die im eigenen Praxislabor erbracht werden, darf der Zahnarzt nur die tatsächlich entstandenen Kosten unter Einschluss eines angemessenen kalkulatorischen Gewinnanteils als Auslagen abrechnen.“.

Dass es dem Zahnarzt grundsätzlich verwehrt sei, im Rahmen des § 9 Abs. 1 GOZ einen zusätzlichen Gewinn zu erwirtschaften, gelte nicht, wenn der Zahnarzt ein eigenes Praxislabor betreibe und die mit dem Betrieb dieses Labors einhergehenden wirtschaftlichen Risiken zu tragen habe. Zahnärzte, die über ein Eigenlabor verfügten, sollten nicht schlechter gestellt werden als Kollegen, die mit einem Fremdlabor zusammenarbeiteten (mit Verweis auf OLG Koblenz, Urteil vom 23.9.2004 – 10 U 90/04).

Kein unzulässiger Anreiz

Es sei nicht zu befürchten, dass der über das Eigenlabor erzielbare (zusätzliche) Gewinn, den vom Berufsrecht nicht gewünschten Anreiz böte, das bestehende Eigenlabor auch auszulasten und nicht allein objektiv den der Zahngesundheit und den Wünschen des Patienten dienenden, sondern denjenigen Zahnersatz auszuwählen, der einen finanziellen Vorteil bringe.  Der Zahnarzt sei schließlich immer in der Pflicht, den Patienten ordnungsgemäß aufzuklären und diese Aufklärung entsprechend zu dokumentieren. Nur weil einige „schwarze Schafe“ ihren ärztlichen Pflichten zuwider handeln könnten, erscheine es nicht verhältnismäßig, dem ein Eigenlabor betreibenden Zahnarzt das volle wirtschaftliche Risiko, ohne die Möglichkeit der Erzielung eines angemessenen kalkulatorischen Gewinnanteils aufzubürden.

Im Rahmen des § 9 Abs. 1 GOZ sei allgemein anerkannt, dass in bestimmten Konstellationen eine Weiterreichung von Vorteilen (bspw. Skonti in Höhe von 3%) des Zahnarztes, die er bei Beauftragung eines Fremdlabors erhalte, nicht zu erfolgen habe. Die diesbezüglichen Erwägungen (bspw. Ausgleich des Zinsschadens und des Solvenzrisikos des Patienten) ließen sich übertragen: Der Zahnarzt, der ein Eigenlabor betreibe, sei höheren wirtschaftlichen Risiken ausgesetzt als der Zahnarzt, der ein Fremdlabor beauftrage.

Schließlich führe die Abrechnung eines angemessenen kalkulatorischen Gewinnanteils im Rahmen des § 9 Abs. 1 GOZ auch nicht dazu, dass sämtliche Zahnärzte das wirtschaftliche Risiko eines eigenen Praxislabors eingehen wollten und damit das Handwerk des Zahntechnikers überflüssig würde.

Fazit des Gerichts

Die Aussagen in den Werbebroschüren seien wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden. Es werde insbesondere nicht der Eindruck erweckt, Zahnärzte könnten die eigenständig erbrachten Leistungen willkürlich kalkulieren. Vielmehr seien die Aussagen, in denen es um einen Gewinn geht, so zu verstehen, dass der Zahnarzt den Gewinnanteil, der bei der Beauftragung eines Fremdlabors von diesem geltend gemacht würde, selbst abrechnen kann, und zwar in dem von § 9 Abs. 1 GOZ vorgegebenen Rahmen.


RA Michael Lennartz
lennmed.de Rechtsanwälte
Bonn|Berlin|Baden-Baden