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Zur ausreichenden Risikoaufklärung bei einer potenziell fehlerhaften ärztlichen Behandlung

Fehlerhafte ärztliche Behandlung und ausreichende Risikoaufklärung – Wann und wie ausreichend?

Was war geschehen?  

Beim Kläger, der u. a. unter dem Crest-Syndrom, dem Raynaud-Syndrom, Sklerodaktylie und Teleangiektasien litt, war im Jahre 2014 ein Aortenaneurysma festgestellt worden. Zwei Kontrolluntersuchungen im Jahr 2015 zeigten ein Größenwachstum des Aneurysmas. Mitte 2016 stellte sich der Kläger ambulant in der Einrichtung der Beklagten vor und erbat eine Zweitmeinung. Nach eingehender Untersuchung empfahl der behandelnde Chefarzt einen endovaskulären Eingriff unter Einsatz eines speziell gefertigten Stentgraft. Am 22.09.2016 erfolgte die stationäre Aufnahme des Klägers, am Folgetag nahmen die Behandler den operativen Eingriff vor. Der Operation schloss sich zunächst eine intensivmedizinische Behandlung an. Einige Tage später zeigten sich Komplikationen. Die Ärzte stellten ein weiteres Aneurysma fest, das Anfang Oktober 2016 operativ revidiert wurde.

Nach Abschluss stationärer Rehabilitationsmaßnahmen nahm der Kläger die Klinikbetreiberin gerichtlich auf Schmerzensgeld in Anspruch und stützte die Klage darauf, dass eine ordnungsgemäße Aufklärung nicht erfolgt sei, insbesondere seien die Risiken nicht ordnungsgemäß dargestellt worden.

Erstinstanzlich wurde die Klage abgewiesen. Das Landgericht Chemnitz (LG Chemnitz, Urt. v. 25.02.2022 – 4 O 1530/18) verneinte sowohl einen Behandlungsfehler als auch eine Aufklärungspflichtverletzung. Im Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht Dresden (OLG Dresden) verfolgte der Kläger seinen Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes, den Ersatz materieller Schäden sowie die Feststellung der Einstandspflicht für künftige Schäden aus ärztlicher Behandlung weiter.

Ärztliche Pflichtverletzung nicht bewiesen

Das OLG wies die Berufung des Klägers zurück (Beschl. v. 12.08.2022 und 13.09.2022 – 4 U 583/22). Zu Recht habe das LG einen Behandlungsfehler verneint. Der operative Eingriff im September 2016 sei nach dem damals maßgeblichen medizinischen Standard fachgerecht durchgeführt worden.

Unterbliebene Dokumentation kein Beweis

Aus dem Umstand, dass der klinische Verlauf der Beschwerden nicht im Einzelnen dokumentiert worden sei, könne nicht auf einen Behandlungsfehler geschlossen werden. Denn die unterbliebene Dokumentation begründe weder eine eigene Anspruchsgrundlage noch führe sie zur Beweislastumkehr hinsichtlich eines Ursachenzusammenhangs. Nach der zu § 630h Abs. 3 BGB ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung folge aus der fehlenden Dokumentation einer aufzeichnungspflichtigen Maßnahme lediglich die Vermutung, dass die Maßnahme unterblieben sei.

Komplikation nicht zwingend auf Arztfehler zurückzuführen

Das OLG verwies darauf, dass es keinen Erfahrungssatz gäbe, wonach der Eintritt einer Komplikation auf einen ärztlichen Fehler zurückzuführen sei. Ein solcher Anscheinsbeweis sei im Arzthaftungsbereich selten und nur dann in Betracht zu ziehen, wenn konkrete Anhaltspunkte für einen Fehler als mögliche Ursache einer Komplikation sprächen. Derartige Anhaltspunkte seien hier jedoch nicht ersichtlich.

Risikoaufklärung ausreichend

Auch die Risikoaufklärung seitens der behandelnden Ärzte sei ausreichend gewesen. Gemäß § 630 e Abs. 1 BGB sei der Behandelnde verpflichtet, den Patienten über sämtliche für die Einwilligung wesentlichen Umstände aufzuklären. „Wesentliche“ Umstände in diesem Sinne bedeute, dass der Patient „im Großen und Ganzen“ wissen müsse, worin er einwilligt, d. h. er müsse eine allgemeine Vorstellung von der Schwere des Eingriffs und den spezifisch mit ihm verbundenen Risiken haben. Die Aufklärung solle indes nicht medizinisches Detailwissen vermitteln, sondern dem Patienten eine ergebnisbezogene Entscheidungsgrundlage geben. Die maßgeblichen Risiken müssten deshalb nicht medizinisch exakt und in allen denkbaren Erscheinungsformen mitgeteilt werden, sondern es genüge, wenn die Stoßrichtung der Risiken zutreffend dargestellt werde.

Aus den eigenen Angaben des Klägers ergebe sich insoweit, dass den behandelnden Ärzten kein Aufklärungsversäumnis anzulasten sei.

Daran ändere auch der vom Kläger eingewandte Umstand, die Aufklärung sei erst einen Tag vor der Operation erfolgt, nichts. Auch eine Aufklärung am Vortag einer risikobehafteten Operation könne als noch rechtzeitig angesehen werden, wenn dem Patienten aufgrund von Vorgesprächen die in Betracht kommende Therapie bereits bekannt sei. Dies sei hier der Fall. Der Kläger sei umfassend durch verschiedene Ärzte über die in Betracht kommenden Therapieverfahren aufgeklärt worden.

Das OLG stellte ferner klar, dass eine Aufklärung durch einen Assistenzarzt sich nicht per se als unzureichend darstelle. Eine ordnungsgemäße Aufklärung setze grundsätzlich keine Facharztausbildung voraus. Im Übrigen gäbe es keinen konkreten Anhalt dafür, dass der aufklärende Assistenzarzt tatsächlich nicht über eine dafür ausreichende Erfahrung oder Fachwissen verfügt oder den Kläger auf der Grundlage des verwendeten Aufklärungsbogens unzureichend aufgeklärt habe.


Bita Foroghi, LL.M. oec.

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