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Zur Wiedererlangung der gesundheitlichen Eignung zur Ausübung des ärztlichen Berufs

Der bayrische Verfassungsgerichtshof setzte sich Anfang des Jahres in einem Eilrechtsverfahren (Beschluss vom 25.02.2022 - Az. 21 CE 21.2184) mit der Wiedererlangung der gesundheitlichen Eignung zur Ausübung des ärztlichen Berufs auseinander. Bemerkenswert ist dabei der ausführlich dokumentierte Verlauf des Antragstellers mit der Behörde sowie das sehr abweisende Verhalten ebendieser.

Das Ziel des Eilrechtsschutzes

Der Antragsteller möchte im Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes erreichen, dass ihm bis zur Entscheidung seiner auf Aufhebung des Ruhens der Approbation gerichteten Klage eine Erlaubnis zur Ausübung des ärztlichen Berufs erteilt wird.

Der Sachverhalt

Da es sich um einen sehr umfangreichen Verlauf des Antragstellers mit der Behörde handelt, der sich bereits vorab vor dem konkreten Verfahren ereignete, ist der Sachverhalt sehr lang geworden und ohne Sinnentstellung kaum zu kürzen gewesen.

Der Anfang der Leidenszeit

Der im Jahr 1966 geborene Antragsteller erhielt am 1. Mai 1996 die Approbation als Arzt.

Nach zahlreichen stationären psychiatrischen Behandlungen des Antragstellers ordnete die Regierung der Oberpfalz auf der Grundlage eines von dem Facharzt für Psychotherapie Dr. med. F. erstellten nervenärztlichen Gutachtens im Jahr 2012 das Ruhen der Approbation an. Nach dem Gutachten zeigte sich beim Antragsteller das psychopathologische Bild einer akuten Psychose, bei der ein denk- und wahrnehmungsgestörtes Syndrom das Bild dominiere. Die vorliegende Dysfunktionalität sei eindeutig eine Folge des Krankheitsgeschehens, das schon seit 1997 bekannt sei. Es handele sich um eine psychotische Erkrankung, die aktuell über die schizoaffektive Psychose hinausgehe. Der Antragsteller sei deshalb derzeit nicht in der Lage, den ärztlichen Beruf sorgfältig und objektiv auszuüben. Es sei andererseits nicht ausgeschlossen, dass er bei adäquater medikamentöser Behandlung den ärztlichen Beruf wieder ausüben könne.

Der erste Versuch zurück in den Beruf

Im August 2014 beantragte der Antragsteller die Aufhebung der Ruhensanordnung  aus dem Jahr 2012. Im Jahr 2016 erstellte ein Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie ein nervenärztliches Gutachten, in dem er auf der Grundlage einer diagnostizierten schizotypen Störung (ICD-10 F.21) zu dem Ergebnis kommt, dass wegen des bisherigen Verlaufs nicht befürwortet werden könne, dass dem Antragsteller die ärztliche Approbation wieder erteilt werde.

Der zweite Versuch mit erstem Gerichtsgang

2017 beantragte der Antragsteller erneut die Wiedererteilung der Approbation. Mit einiger Verzögerung legte die Regierung von Oberbayern dem mittlerweile wieder eingeschalteten Verwaltungsgericht ein fachpsychiatrisches Gutachten eines Privatdozenten vom 6. Mai 2019 vor, der zu der Beurteilung gelangt, dass bei dem Antragsteller eine chronische Psychose bestehe. Diese erfülle die diagnostischen Kriterien einer schizoaffektiven Störung. Dadurch fehle die gesundheitliche Eignung zur Ausübung des Berufes als Arzt auf unbestimmte Zeit, bei chronifiziertem Verlauf und Zustandsbild höchstwahrscheinlich auf Dauer.

Gegenversuch mittels Arztbriefe, der zu einem Vergleich mit der Behörde führte

Der Antragsteller ließ einen im November 2019 erstellten Arztbrief eines Direktors der Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie vorlegen und ausführen: Der Arztbrief enthalte keine der Diagnosen, die seitens der Regierung von Oberbayern zur Begründung der Ruhensanordnung angeführt worden seien. Die Stellungnahme des Gutachters sei damit nicht mehr haltbar. Es werde beantragt, ein Obergutachten bei Prof. Dr. med. P. einzuholen.

Das Klageverfahren endete damit, dass die Beteiligten folgenden mit Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 22. Oktober 2020 unterbreiteten Vergleichsvorschlag annahmen:

1. Der Kläger stellt unverzüglich einen neuen Antrag auf Aufhebung des Ruhens der Approbation.

2. Der Beklagte holt innerhalb von drei Wochen nach Antragstellung (nach den üblichen Standards in solchen Verfahren) ein Gutachten bei Herrn Prof. Dr. P. ein zur Frage der Eignung des Klägers zur Ausübung des ärztlichen Berufs.

3. Der Beklagte übermittelt dem Gutachter sämtliche vorliegende ärztliche Stellungnahmen, insbesondere auch die Gutachten von 2016 und das Gutachten von 2019 einschließlich der jeweiligen ergänzenden Stellungnahmen dieser Gutachter. Herr Prof. P. wird im Rahmen des Gutachtensauftrags ferner gebeten, ausdrücklich auch die zuletzt vorgelegten Arztberichte in die gutachterliche Bewertung miteinzubeziehen und insbesondere zu der vom Klägervertreter eingewendeten Diskrepanz zwischen den in diesen Arztberichten gestellten Diagnosen gegenüber den gutachterlich festgestellten Diagnosen Stellung zu nehmen, auch dazu, ob diese unterschiedliche Bewertung im Ergebnis, konkret zur Frage der Eignung zur Ausübung des ärztlichen Berufes, Auswirkungen hat.

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6. Nach Vorlage des Gutachtens entscheidet der Beklagte innerhalb von zwei Monaten auf Grundlage dieses Gutachtens nochmals über den neu zu stellenden Antrag des Klägers auf Aufhebung des Ruhens der Approbation mittels rechtsmittelfähigem Bescheid, den der Kläger ggf. einer neuen gerichtlichen Überprüfung unterziehen kann.

Nach dem Vergleich

Nach erneut beantragter Aufhebung der Ruhensanordnung beauftragte die Regierung von Oberbayern den Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Prof. Dr. med. P. im Jahr 2020, den Antragsteller darauf zu untersuchen, ob er zur Ausübung des Arztberufs in gesundheitlicher Hinsicht geeignet ist. Dieser diagnostizierte in seinem Gutachten vom 27. Januar 2021 beim Kläger eine schizoaffektive Störung (ICD-10 F25), eine sonstige Traumafolgestörung (ICD-10 F43.5), eine anankastische Persönlichkeitsstörung (ICD-10 F60.5) sowie eine hypochondrische Störung (ICD-10 F45.2). Zusammenfassend kommt er zu der Beurteilung: „Die psychiatrischen Voraussetzungen für einen Entzug der Approbation sind nicht mehr gegeben. Der Proband ist weder unzuverlässig noch unwürdig im Sinne der Approbationsordnung."

Nach entsprechendem Hinweis der Regierung von Oberbayern ergänzte Prof. Dr. med. P. sein Gutachten unter dem 20. Februar 2021 wie folgt: Nach Befunderhebung, Anamnese und aktenbasierter Verlaufsrekonstruktion ergäben sich keine Argumente, die gesundheitliche Eignung des Antragstellers, seinen Beruf als Arzt auszuüben, immer noch in Frage zu stellen. Die letzte psychotische Episode des Jahres 2012 liege nunmehr neun Jahre zurück. Seither seien keine neuen floriden psychotischen Erlebens- und Verhaltensweisen aufgetreten. Die gelegentlich noch ablaufenden rein depressiven Episoden beeinträchtigten nicht die Fähigkeit, als Arzt zu arbeiten.

Die Schlüssigkeitsprüfung durch den Gutachter der Regierung

2021 bat die Regierung von Oberbayern einen weiteren Facharzt für Psychiatrie darum, die Schlüssigkeit des von Prof. Dr. med. P. erstellten Gutachtens zu prüfen und übermittelte einen "Link zu den einschlägigen Gutachten". Dieser kam insbesondere auf der Grundlage der Gutachten aus 2016, und 2019 sowie der Arztbriefe zu dem Ergebnis, dass das Gutachten des Prof. Dr. med. P. vom 27. Januar 2021 nicht schlüssig sei. Daraufhin lehnte die Regierung von Oberbayern mit Bescheid vom 30. März 2021 ab, die Anordnung des Ruhens der Approbation des Antragstellers aufzuheben.

Hiergegen reichte der Antragsteller nun Klage und einen Antrag auf Eilrechtsschutz ein. Letzteres wurde bereits vom Verwaltungsgericht Regensburg abgelehnt. Die hiergegen eingelegte Beschwerde soll nun betrachtet werden.

Die Entscheidung

Die Beschwerde gegen die Verwehrung des Eilrechtsschutzes hat keinen Erfolg.

Sie zeige dabei nicht auf, dass der Antragsteller entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts überwiegend wahrscheinlich die für die Ausübung des ärztlichen Berufs erforderliche gesundheitliche Eignung wiedererlangt hat und so die im Verfahren der Hauptsache begehrte Aufhebung des Ruhens der Approbation beanspruchen kann.

Das Gutachten des Prof. Dr. med. P., auf das sich der Antragsteller insoweit bezieht, sei nicht geeignet, im zugrunde liegenden Verfahren die Feststellung zu stützen, der Antragsteller habe die gesundheitliche Eignung zur Ausübung des ärztlichen Berufs wiedererlangt. Das Verwaltungsgericht hat dazu nachvollziehbar ausgeführt: Der bereits aus der bloßen Lektüre des Gutachtens (Prof. Dr. P.) offensichtliche Umstand, dass sich der Gutachter und der Antragsteller jedenfalls nicht unbekannt gewesen seien, werde im Vorfeld der Heranziehung der Erkenntnisse des Gutachtens zu würdigen sein. Es werde daher unter Umständen im Hauptsacheverfahren weiter aufzuklären sein, in welcher Art bzw. Intensität Kontakte vorgelegen hätten und ob gerade vor dem Hintergrund, dass das Gutachten des Prof. Dr. P. aus Sicht des Antragstellers zwei bereits vorliegende Gutachten widerlegen solle, davon ausgegangen werden könne, dass der Gutachter Prof. Dr. P. die gebotene strikte Neutralität habe wahren können.

Zudem stand der Regierung auf Grundlage des geschlossenen Vergleichs eine Plausibilitätsprüfung zu.

Insgesamt habe das Verwaltungsgericht nicht angenommen, dass diese Gutachten nach wie vor die fehlende gesundheitliche Eignung des Antragstellers belegen. Vielmehr gehe es davon aus, dass die Erfolgsaussichten der Klage und damit der geltend gemachte Anordnungsanspruch offen seien, weil die Frage, ob und inwieweit die Gutachten von 2016 und 2019 (noch) verwertbar seien, und damit letztlich die Frage nach der gesundheitlichen Eignung des Antragstellers zur Ausübung des ärztlichen Berufs im Hauptsacheverfahren zu klären sei.

Fazit

Dem Antragsteller bleibt folglich nichts anderes übrig als das wahrscheinlich langwierige Hauptsacheverfahren abzuwarten.

Insgesamt wirft dieser Sachverhalt jedoch ein merkwürdiges Bild auf den Umgang mit psychischen Krankheiten seitens der Regierung.


Robert Prümper

lennmed.de Rechtsanwälte

Bonn | Berlin | Baden-Baden