Skip to main content

Zur Zulassungsentziehung wegen Nichtausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit

Das Sozialgericht Marburg (SG) entschied kürzlich (Gerichtsbescheid vom 30.03.2022 – S 12 KA 226/21) über die Zulassung eines Facharztes für Humangenetik. Streitpunkt war dabei die Entziehung der Zulassung des Arztes wegen Nichtausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit.

Hintergrund

Der Zulassungsausschuss der KV-Hessen ließ den Kläger mit Wirkung zum 01.10.2019 zur vertragsärztlichen Tätigkeit (hälftiger Versorgungsauftrag) zu. Gut ein Jahr später erklärte dieser mit Datum vom 28.10.2020 den Verzicht auf seine Zulassung mit Wirkung zum 01.02.2021 unter dem Vorbehalt einer Nachfolgeregelung und beantragte die Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens. Die Praxisübernahme sollte durch eine MVZ-Trägergesellschaft erfolgen. Der Zulassungsausschuss lehnte dies aber wegen fehlender nachbesetzungsfähiger Praxis (sog. Praxissubstrat) als unzulässig ab. Überdies entzog er dem Kläger die KV-Zulassung, denn die im Rahmen des Nachbesetzungsverfahrens durchgeführte Versorgungsanalyse habe ergeben, dass die Fallzahl des Klägers deutlich unterhalb des Fachgruppendurchschnitts liege. Dies deshalb, weil er in vier aufeinanderfolgenden Quartalen (IV/19 bis III/20) nach Zulassung lediglich maximal zehn Fälle und in der Folge keinen einzigen Fall abgerechnet hatte. Der Widerspruch dagegen blieb erfolglos, sodass der Kläger nunmehr gerichtlich gegen den diesbezüglichen Widerspruchsbescheid vorging mit dem Ziel der Aufhebung des der Zulassungsentziehung.

Die Entscheidung

Das SG Marburg entschied nun, dass die Klage unbegründet sei. Der beklagte Zulassungsausschuss habe hinreichend dargelegt, dass der Kläger seinen Versorgungsauftrag nicht mehr erfüllt habe. 

Schließlich habe ein Vertragsarzt am Vertragsarztsitz Sprechstunden abzuhalten und sei verpflichtet, im Rahmen seiner vollzeitigen vertragsärztlichen Tätigkeit mindestens 25 Stunden wöchentlich in Form von Sprechstunden für gesetzlich Versicherte zur Verfügung zu stehen. Bei einem reduzierten Versorgungsauftrag gelten die Sprechstundenzeiten jeweils anteilig. Es könne hier dahinstehen, ob der Kläger die von ihm behaupteten Sprechzeiten tatsächlich angeboten habe. Maßgeblich komme es darauf an, in welchem Umfang er tatsächlich eine vertragsärztliche Tätigkeit ausgeübt habe und auf die diesbezüglich eingereichte KV-Abrechnung.

Nach den Feststellungen der Versorgungsanalyse habe der Kläger in den Quartalen IV/19 und I/20 lediglich drei bzw. zehn Fälle abgerechnet, in den Quartalen II und III/20 jeweils einen und ab dem Quartal IV/20 bis zum Quartal II/21 keinen einzigen Fall; damit habe er von Anfang an seinen halben Versorgungsauftrag nicht ausgefüllt. Zudem sei insbesondere nicht erkennbar, dass der Kläger allmählich überhaupt eine Praxis aufgebaut hätte, worauf bereits  die geringen Honorarumsätze und Fallzahlen hinwiesen. Unerheblich sei in diesem Zusammenhang zudem, ob der Kläger nie beabsichtigt habe, den hälftigen Versorgungsauftrag tatsächlich auszufüllen, oder lediglich äußere Umstände wie die Coronakrise einen Praxisaufbau verhindert haben. Weiterhin habe der Kläger zwischenzeitlich seine Praxistätigkeit offensichtlich auch ganz eingestellt.

Ganz grundsätzlich stellte das befasste Gericht fest, dass von einer Ausübung der Tätigkeit nicht mehr ausgegangen werden könne, wenn ein Arzt nicht mehr den Willen zur kontinuierlichen Teilnahme an der Versorgung habe. Eine solche zeige sich aber nach der sozialgerichtlichen Rechtsprechung dadurch, dass ein Vertragsarzt die ihm obliegenden Hauptpflichten wie Behandlung der Versicherten, Abhalten und Anbieten von Sprechstunden sowie Bestellung eines Vertreters bei Abwesenheit über eine Woche erfülle. Dagegen fehle es an einem Willen zur kontinuierlichen Teilnahme an der Versorgung, wenn ein Vertragsarzt über mehrere Quartale hinweg nur noch sporadisch Abrechnungen zu wenigen Behandlungsfällen einreiche und von ihm nicht dargelegt werde, wie er zukünftig die vertragsärztliche Tätigkeit kontinuierlich ausüben will.

Angesichts der Praxisaufgabe komme hier auch nicht eine Anordnung des Ruhens der Zulassung als milderes Mittel in Betracht. Schließlich sei kein Wille des Klägers erkennbar, in den nächsten zwei Jahren seine vertragsärztliche Tätigkeit wiederaufzunehmen.

Fazit

Das SG Marburg hat sehr deutlich ausgeführt, dass zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung neben der Erfüllung der erforderlichen Sprechstundenzahl für gesetzlich Versicherte auch ein offensichtlicher Versorgungswille vonnöten ist. Auch wenn der Ausgangsfall hier einen anderen Hintergrund hat ist festzuhalten: Kommt ein Vertragsarzt dem nicht nachkommt, geht er seiner KV-Zulassung und damit seiner Teilnahme am GKV-System verlustig.


RAin van Hövell, LL.M. Medizinrecht

lennmed.de Rechtsanwälte

Bonn | Berlin | Baden-Baden