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Anwendbarkeit der GOZ für Kapitalgesellschaften?

Es gibt unterschiedliche Gerichtsurteile zu der Frage, ob die Leistungsabrechnung über die GOÄ für eine ärztliche Kapitalgesellschaft (Ärzte GmbH oder MVZ-GmbH) verpflichtend ist, wobei die Thematik auch die GOZ betrifft. Im zahnärztlichen Bereich ist Ausgangspunkt dieser Frage § 15 Zahnheilkundegesetz (ZHG), der die Basis für den Erlass der GOZ durch den Verordnungsgeber bildet.

Nach § 1 Abs.1 GOZ bestimmen sich die Vergütungen für die beruflichen Leistungen der Zahnärzte nach der GOZ, soweit nicht durch Bundesgesetz etwas anderes bestimmt ist. Zudem ist nach § 15 ZHG den berechtigten Interessen der Zahnärzte und der zur Zahlung der Entgelte Verpflichteten Rechnung zu tragen.

GOÄ (und GOZ) auch bei Kapitalgesellschaften

In seinem Urteil vom 19.12.2019 (17 HK O 11322/18) kommt das Landgericht München I zu dem Ergebnis, dass an der Anwendbarkeit der GOÄ der Umstand nichts ändere, dass das Angebot nicht von einem Arzt unmittelbar stamme, sondern von einer juristischen Person.  Denn § 1 Abs. 1 GOÄ stelle allein auf die beruflichen Leistungen der Ärzte ab, ohne zwischen Leistungen zu differenzieren, die aufgrund eines Behandlungsvertrages zwischen Arzt und Patient oder von Ärzten im Rahmen eines Angestellten – oder sonstigen Beschäftigungsverhältnisses ohne eigene vertragliche Beziehung zum Patienten erbracht werden. Auch der Bundesgerichtshof gehe davon aus, dass der Wortlaut der Vorschrift des § 1 GOÄ weit gefasst ist und die Vergütung für ärztliche Leistungen insgesamt erfasst.

In seiner Entscheidung betont das LG München, dass nur die dargestellte Auffassung geeignet sei, den in der Ermächtigungsnorm zum Ausdruck kommenden Zweck der Gebührenordnung, einen angemessenen Ausgleich der berechtigten Interessen der Ärzte und der zur Zahlung der Entgelte Verpflichteten herbeizuführen, zur Durchsetzung zu verhelfen. Gründe dafür, dass die Interessen der zur Zahlung der Entgelte Verpflichteten weniger schutzwürdig und die Interessen der an den Entgelten Berechtigten weniger regelungsbedürftig sein sollten, wenn die ärztliche Tätigkeit durch einen Berufsträger erbracht wird, der von einer juristischen Person beschäftigt wird und diese juristische Person Vertragspartner des Patienten wird, seien nicht ersichtlich.

Bereits im Jahr 2016 hatte das Berliner Kammergericht in seinem Urteil vom 04.10.2016 (5 U8/16) entschieden, dass es an der Anwendbarkeit der GOÄ nichts ändere, wenn ein Angebot zur Brustvergrößerung auf einer Internet-Plattform von einer in der Rechtsform einer GmbH betriebenen Privatklinik stamme.

In seinem sehr lesenswerten Urteil vom 16.08.2023 (5 U 32/22) befasst sich auch das OLG Köln eingehend mit der Frage der Anwendbarkeit der GOÄ bei Kapitalgesellschaften. Der Wortlaut des § 1 Abs. 1 GOÄ stelle auf die beruflichen Leistungen der Ärzte ab und differenziere nicht zwischen selbständigen und etwa angestellten Ärzten. Die Vergütung für solche ärztlichen Tätigkeiten soll nach den Regelungen der GOÄ erfolgen, soweit nicht durch Bundesgesetz etwas anderes bestimmt ist. Der Wortlaut des § 1 Abs. 1 GOÄ ist ersichtlich weit gefasst und scheint die Vergütungen für ärztliche Leistungen insgesamt zu erfassen (BGH, Urteil vom 12. 11.2009, III ZR 110/09).

Kapitalgesellschaften können Preise frei vereinbaren

Das OLG Frankfurt kommt in einem Beschluss vom 21.09.2023 (6 W 69/23) zu dem Ergebnis, dass Vertragspartner auf Behandlerseite nicht nur ein Arzt sein kann, sondern vielmehr auch Kapitalgesellschaften oder Personengesellschaften Vertragspartner sein können.  Adressat der GOÄ seien ausschließlich Ärzte als Vertragspartner des Patienten aus dem Behandlungsvertrag (§ 1 Abs 1 GOÄ). Hingegen sei die GOÄ nicht verbindlich im Verhältnis des Patienten zu einer Kapitalgesellschaft als Leistungserbringer und Behandelnder. Eine Ärzte-GmbH oder MVZ-GmbH seien also nicht verpflichtet, ihre Leistungen an Selbstzahlern nach GOÄ abzurechnen. Sie könnten also – anders als Ärzte – freie Preise vereinbaren.

In einem Urteil vom 09.11.2023 (6 U 83/23) bestätigt das OLG Frankfurt den Beschluss. Wie der Senat bereits entschieden habe, seien Adressaten der GOÄ ausschließlich Ärzte als Vertragspartner der Patienten aus dem Behandlungsvertrag. Deshalb könnten Gesellschaften – wie eine Ärzte-GmbH – Preise frei vereinbaren, wenn sie den Behandlungsvertrag durch einen angestellten Arzt oder einen Honorararzt erbringen, den nicht der Patient, sondern die Gesellschaft bezahlt.

Angesichts dieser uneinheitlichen Rechtsprechung kann man gespannt sein, welche der Auffassungen sich durchsetzen wird. Es spricht viel dafür, dass die Gebührenordnungen der GOÄ und GOZ auch für Kapitalgesellschaften (z.B. MVZ-GmbH) verbindlich sind. Hierfür spricht auch der Wortlaut des § 1 Abs.1 GOZ, wonach sich die Vergütungen für die beruflichen Leistungen der Zahnärzte nach dieser Verordnung bestimmen, soweit nicht durch Bundesgesetz etwas anderes bestimmt ist. Es wäre nicht mit dem Sinn und Zweck von § 15 Satz 3 des Zahnheilkundegesetzes als Ermächtigungsnorm vereinbar, wonach den berechtigten Interessen der Zahnärzte und der zur Zahlung der Entgelte Verpflichteten Rechnung zu tragen ist. Nicht nachvollziehbar wäre es, wenn dies bei Kapitalgesellschaften nicht gelten sollte.


RA Michael Lennartz

lennmed.de Rechtsanwälte

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