Skip to main content

Beteuern ist gut, beweisen ist besser - Persönlichkeitsrechtsverletzung durch Rundschreiben

Der Kläger ist niedergelassener Zahnarzt in Nürnberg. Die Beklagte hatte im April 2019 ein Schreiben verfasst, in dem sie behauptete, der klagende Zahnarzt habe aufgrund möglicher finanzieller Interessen ohne Not einen gesunden Zahn ziehen wollen und lege eine skrupellose Vorgehensweise an den Tag. Außerdem habe er in einer eidesstattlichen Versicherung unwahre Angaben gemacht. Unter den genannten Umständen sei jedem Patienten, von einer Behandlung beim Kläger abzuraten. Dieses Schreiben wurde in mehrere Hausbriefkästen in Nürnberg eingeworfen.

Hiergegen wandte sich der betroffene Zahnarzt mit einer Unterlassungsklage vor dem Landgericht (LG) Nürnberg-Fürth. Das für dieses Verfahren beantragte Prozesskostenhilfegesuch der Beklagten wies das LG mit Beschluss vom 14.10.2019 zurück. Hiergegen wandte sich die Beklagte mit einer sofortigen Beschwerde an das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg, das die sofortige Beschwerde als unbegründet zurückwies, da für die Rechtsverteidigung der Beklagten nach Auffassung des Gerichts keine Erfolgsaussicht bestand (Beschl. v. 23.06.2020 – 3 W 1837/20). 

Die Entscheidung

Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass die beanstandeten Äußerungen einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers darstellten.

Das im Grundgesetz verankerte allgemeine Persönlichkeitsrecht gewährleiste den Schutz vor Äußerungen, die geeignet seien, sich abträglich auf das Ansehen der Person, insbesondere ihr Bild in der Öffentlichkeit, auszuwirken. Mit den streitgegenständlichen Äußerungen werde zum Ausdruck gebracht, dass der Kläger in zentralen Bereichen des Behandlungsgeschehens den an ihn gestellten Anforderungen nicht gerecht geworden sei und auch über den Behandlungskontakt hinaus keine integre Persönlichkeit aufweise.

Interessenabwägung

Die Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts stelle sich unter Abwägung der widerstreitenden Interessen auch als rechtswidrig dar.

Soweit es sich um Tatsachenbehauptungen handle, hänge die Abwägung vom Wahrheitsgehalt ab, wobei unwahre Tatsachenbehauptungen in der Regel nicht hingenommen werden müssen. Soweit eine Meinungsäußerung vorliege, komme es für die Abwägung auf die Schwere der Beeinträchtigung der betroffenen Rechtsgüter an.

Im vorliegenden Fall handele es sich bei den streitgegenständlichen Äußerungen der Kläger wolle „aufgrund möglicher finanzieller Interessen einen gesunden Zahn ohne Not ziehen“ bzw. habe „unwahre Angaben in seiner eidesstattlichen Versicherung getätigt“ um Tatsachenbehauptungen und bei den Äußerungen der Kläger lege „eine skrupellose Vorgehensweise an den Tag“ bzw. es sei „jedem Patienten von einer Behandlung bei dem Kläger abzuraten“ um Werturteile.

Tatsachenbehauptungen nicht erweislich wahr

Bei den angegriffenen Tatsachenbehauptungen ergab sich die Rechtswidrigkeit der Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts daraus, dass diese nicht (erweislich) wahr waren. Die insoweit beweispflichtige Beklagte habe keinen Beweis für die Richtigkeit ihrer Behauptungen angeboten. Auch hätten die Äußerungen der Beklagten nicht der Wahrnehmung berechtigter Interessen gemäß § 193 Strafgesetzbuch (StGB) gedient. Die Beklagte habe schon nicht dargelegt, dass sie im Zeitpunkt der Verbreitung des streitgegenständlichen Schreibens sorgfältige Recherchen über den Wahrheitsgehalt ihrer Äußerungen angestellt habe und damit ihrer Aufklärungspflicht in ausreichendem Maße nachgekommen sei.

Darüber hinaus habe die Beklagte nicht dargelegt, dass die beliebigen Empfänger ihres Schreibens in der Lage wären, die Durchsetzung des wahrgenommenen Interesses in irgendeiner Weise zu fördern. Entsprechend fehle es an der erforderlichen Geeignetheit zur Wahrnehmung des verfolgten Interesses. Bei dem im Streit stehenden Sachverhalt hätte vielmehr eine Anzeige bei der Ärztekammer nahegelegen.

Unrichtigkeit des tatsächlichen Äußerungsgehalts des Werturteils

Bei den angegriffenen Werturteilen habe die Beklagte für die tatsächlichen Vorgänge, die sie zur Grundlage ihrer Schlussfolgerungen, dass der Kläger eine skrupellose Vorgehensweise an den Tag lege und jedem Patienten von einer Behandlung beim Kläger abzuraten sei, keinen Beweis angeboten. Vor diesem Hintergrund sei kein berechtigtes Interesse der Beklagten, ihre persönlichkeitsbeeinträchtigenden Meinungen gegenüber unbeteiligten Dritten zu äußern, ersichtlich. 


Rechtsanwältin Bita Foroghi, LL.M. oec.
lennmed.de Rechtsanwälte
Bonn | Berlin | Baden-Baden