Arzt- und Zahnarztpraxen benötigen oftmals Dienstleistungen von Fremdfirmen, wie z.B. eine IT-Firma, die bei EDV-Problemen konsultiert wird, oder einen Abrechnungsspezialisten. Bei diesen Tätigkeiten wird bisweilen auch Einblick in hochsensible Patientendaten genommen, was keinesfalls unkompliziert[...]
BSG: Kein Streikrecht für Vertrags(zahn)ärzte
Vertrags(zahn)ärzten steht ein "Streikrecht" nicht zu. Das gilt unabhängig vom Ziel der Arbeitsniederlegung, wie das Bundessozialgericht (BSG) am 30.11.2016 letztinstanzlich entschieden hat (Az.: B 6 KA 38/15 R).
Der Fall
Ein niedergelassener Arzt hatte im Jahr 2012 wiederholt während der Sprechzeiten seine Praxis geschlossen, um an einem Warnstreik teilzunehmen. Ziel des Streiks war, der Forderung nach einem ärztlichen Honorarsystem ohne Mengenbegrenzungen Nachdruck zu verleihen. Der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung (KV) hatte der Arzt den Streik angekündigt und über Aushänge an seiner Praxis bzw. Anrufbeantworteransagen Kollegen benannt, die ihn während des Streiks vertreten.
Dem Arzt war daraufhin wegen Verletzung seiner vertragsärztlichen Pflichten ein Verweis erteilt worden. Dagegen hatte er vor dem Sozialgericht Stuttgart geklagt. Das Gericht wies die Klage ab.
Die Entscheidung
Zu Recht, entschied das BSG. Der zugelassene Vertragsarzt sei nach der Zulassungsverordnung zur Abhaltung von Sprechstunden verpflichtet, habe also während der von ihm angegebenen Sprechzeiten für die Versorgung seiner Patienten zur Verfügung zu stehen.
Davon sei er nur in den Fällen entbunden, für die die Zulassungsverordnung die Vertretung vorsehe. Zu diesen Fallgruppen gehöre ein "Warnstreik" nicht. Ob Angehörigen freier Berufe sich auf das Grundrecht der Vereinigungsfreiheit nach Art. 9 Grundgesetz (GG) bzw. Art. 11 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) berufen können oder sich ein Streikrecht dem Grunde nach aus der Berufsfreiheit nach Art. 12 GG ableiten lasse, ließ das BSG zwar offen.
Jedenfalls aber sei das Recht von Vertrags(zahn)ärzten, ihre Forderungen durch Arbeitskampfmaßnahmen - wie etwa einen Streik - durchzusetzen, verfassungsgemäß durch das Vertragsarztrecht beschränkt worden. Das Kollektivvertragssystem zwischen KVen und GKVen sei durch hohe Autonomie einerseits, aber eben auch das Gebot des Zusammenwirkens andererseits geprägt. Komme ein Konsens nicht zustande, werde dieser durch gerichtlich überprüfbare Schiedsamtsentscheidungen ersetzt. In diesem System sei für die Durchsetzung der Interessen der Ärzte durch Arbeitskampfmaßnahmen kein Platz, was im Hinblick auf die Funktionsfähigkeit des Vertragsarztsystems nicht zu beanstanden sei.
Die vollständigen Urteilsgründe liegen bisher nicht vor. Der Kläger hat im Übrigen Verfassungsbeschwerde angekündigt.
RA Anno Haak, LL.M. Medizinrecht
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