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Das Schriftformerfordernis bei „andersartiger Versorgung“

Gehen zahnärztliche Leistungen über die notwendige zahnmedizinische Versorgung hinaus, muss dies einschließlich der entsprechenden GOZ-Vergütung in einem Heil- und Kostenplan (HKP) gem. § 2 Abs. 3 GOZ – welcher nicht identisch ist mit einem HKP, der gem. § 87 Abs. 1a SGB V für gesetzlich Versicherte zu erstellen ist – schriftlich vereinbart werden. Schriftlich bedeutet dabei gem. § 126 BGB, dass der GOZ-HKP von beiden Seiten eigenhändig unterschrieben werden muss. Geschieht das nicht, ist die entsprechende Vereinbarung nach einem Urteil des Landgericht Flensburg Urteil vom 20.01.2021 (Az. 3 O 190/17) nichtig und der Behandler hat keinen Vergütungsanspruch bezüglich der „andersartigen“ Versorgung.

Der Fall

Im Jahr 2012 plante der klagende Zahnarzt bei der beklagten Patientin eine Zahnersatzversorgung. Diesbezüglich händigte er ihr einen HKP gem. § 87 Abs. 1a SGB V aus sowie zusätzlich eine „Behandlungsplanung“ betreffend die über die Regelversorgung hinausgehenden Leistungen, welche Gesamtkosten in Höhe von 3.910,73 € auswies. Gleichwohl wurde die Behandlung erst in den Jahren 2013 und 2014 durchgeführt auf Grundlage eines – da sich die Zuschüsse der Krankenkassen bis zum Behandlungsbeginn im Jahr 2013 geändert hatten – neuen HKP gem. § 87 Abs. 1a SGB V nebst Anlage. Eine neue schriftliche „Behandlungsplanung“ betreffend die über die Regelversorgung hinausgehenden Leistungen erfolgte nicht. Der HKP wies unter III. „Kostenplanung“ geschätzte Behandlungskosten von insgesamt 2.170,77 € aus. Unter V. „Rechnungsbeträge“ befanden sich keine Einträge. In der Anlage wurde der voraussichtliche Eigenanteil mit einem Betrag in Höhe von 1.595,81 € ausgewiesen. Die Patientin hat diesen HKP unterzeichnet. Anfang 2014 liquidierte der Kläger gegenüber der Beklagten GOZ-Leitungen in Höhe von 5.594,71 €. Eine Zahlung durch die Beklagte erfolgte nicht.

Die Entscheidung

Wird eine von der Regelversorgung des Leistungskatalogs der Gesetzlichen Krankenversicherung abweichende „andersartige Versorgung“ vorgenommen, so ist diese nach GOZ abzurechnen. Dies muss vor Beginn der Behandlung in einen schriftlichen HKP gem. § 2 Abs. 3 GOZ und damit der Schriftform des § 126 BGB entsprechend vereinbart werden, wozu auch die eigenhändige Unterschrift beider Parteien gehört. Zudem ist ein Patient – gem. § 630c Abs. 3 BGB – in Textform über die allein von ihm zu tragenden Kosten zu informieren, wenn kein Kostenträger hierfür eintritt.  Vorliegend ist der Patientin im Rahmen der Behandlung im Jahr 2013 ein neuer HKP gem. § 87 Abs. 1a SGB V zur Einreichung bei der Krankenkasse überlassen worden, allerdings ohne nochmalige Beifügung der Behandlungsplanung im Sinne des § 2 Abs. 3 GOZ. Von einem Laien könne jedoch nicht erwartet werden, dass dieser sich die möglicherweise anfallenden Gesamtkosten aus ihm jemals, zudem mit nicht unerheblichem zeitlichen Abstand, überreichten Dokumenten zusammensuche, so die Flensburger Richter, denn eine solche Annahme würde dem Sinn und Zweck des Schriftformerfordernisses zuwiderlaufen. Im Übrigen sei es nicht ohne Weiteres für einen Laien erkennbar, dass es sich bei den Kosten aus dem HKP gem. § 87 Abs. 1a SGB V sowie den Kosten ausweislich der Behandlungsplanung gem. § 2 Abs. 3 GOZ um Kosten für unterschiedliche Leistungen handele, die zu addieren seien. Vor allem, weil teilweise in der Leistungsbeschreibung des HKP und der Behandlungsplanung dieselben Zähne aufgeführt seien, könne dies seitens eines Laien die Annahme rechtfertigen, dass Leistungen und deren Kosten doppelt aufgeführt seien und dementsprechend nicht summiert anfielen.

Gemäß den Ausführungen der Flensburger Richter verstoße es überdies auch nicht gegen Treu und Glauben, wenn ein Patient sich trotz der entgegengenommenen Leistung auf einen Formverstoß berufe, schließlich dürften Formvorschriften im Interesse der Rechtssicherheit nicht aus bloßen Billigkeitserwägungen außer Acht gelassen werden. Ausnahmen davon seien zwar in Fällen einer besonders schweren Treuepflichtverletzung auf Seiten der Patienten anzunehmen. Nach dem BGH  wäre dies etwa dann der Fall ist, wenn ein Patient die Erfüllung der von ihm übernommenen Verpflichtung verweigert, nachdem er über längere Zeit die Vorteile aus der formunwirksamen Vereinbarung in Anspruch genommen habe, obwohl er hinsichtlich der zusätzlichen Kosten informiert wurde. Vorliegend sei das aber nicht der Fall. Der Schutzzweck des § 2 Abs. 3 GOZ ziele gerade darauf ab, den Patienten vor einer übereilten Entscheidung zu bewahren. Allein die Inanspruchnahme der Leistung an sich könne deswegen nicht zu einer Unbeachtlichkeit des Formmangels führen.

Fazit

Wird mit einem Patienten eine über die Regelversorgung hinausgehende zahnärztliche Leistung vereinbart, muss dieser vorab hinsichtlich der Gesamtkosten und v.a. über die seinerseits zu tragenden Kostenpositionen informiert werden. Überdies muss ein diesbezüglicher HKP schriftlich, d.h. von Behandler und Patienten unterschrieben, gem. § 2 Abs. 3 GOZ geschlossen werden. Ob man diesen nun „Behandlungsplanung“ oder „GOZ-HKP“ nennt, ist letztlich egal, solange diese Vereinbarung die notwendigen Informationen hinsichtlich der über die Regelversorgung hinausgehenden „andersartigen Versorgung“ und die diesbezügliche Kostenbelastung für den Patienten enthält. Auf gut Deutsch: Dem Patienten muss klar sein, dass bestimmte Leistungen über die Regelversorgung hinausgehen und deshalb nicht von seiner Krankenkasse bezuschusst oder übernommen werden und er diese auf jeden Fall in voller Höhe selbst zu tragen hat. Um sich vor unliebsamen Überraschungen zu schützen sei auch jedem Behandler angeraten, vor Beginn einer Behandlung zu kontrollieren, dass ein Patient von ihm zu unterschreibende Dokumente auch wirklich unterschrieben in der Praxis abgegeben hat. Ist zudem ein längerer Zeitraum seit Unterzeichnung der entsprechenden Unterlagen vergangen und/oder haben sich Umstände bzgl. der Regelversorgung geändert, so ist dringend anzuraten, den Patienten abermals über die GOZ-Leistung und deren Abrechnung aufzuklären und die entsprechende Vereinbarung gem. § 2 Abs. 3 GOZ abermals schriftlich (mit beiderseitiger Unterschrift!) zu fixieren. 


Rechtsanwältin Walburga van Hövell
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