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Die Rückforderung von Corona-Soforthilfen in NRW war rechtswidrig

Das Oberverwaltungsgericht Münster (OVG) entschied zuletzt über die Rechtmäßigkeit der Rückforderungsbescheide für die Corona-Soforthilfen vom Land NRW für Kleinunternehmer (Az.: 4 A 1986/22).

Dabei ging es zwar zunächst nur um die geleisteten Hilfen in NRW, allerdings dürfte die Entscheidung auch ein Vorgeschmack für Verfahren in anderen Bundesländern gewesen sein.

Hintergrund

Im Kern ging es bei dem Verfahren darum, ob die Bewilligung der Soforthilfe nur vorläufig erfolgte, welche Maßstäbe für eine spätere Rückforderung im Bewilligungsbescheid geregelt waren und ob das Land NRW diese nachträglich konkretisieren bzw. ändern durfte.

Das OVG verneinte die Vorläufigkeit der Bewilligung. Das Land habe schon bei der Auszahlung bestimmte Bedingungen festgesetzt, an welche es sich dann auch halten musste, als es später abgerechnet und zurückgefordert hat.

Sachverhalt

Konkret ging es vor dem OVG um die Verfahren eines freiberuflichen Steuerberaters und Dozenten für Steuerrecht, einer Inhaberin eines Kosmetikstudios sowie eines Betreibers eines Schnellrestaurants. Alle drei waren von den infektionsschutzrechtlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie betroffen. Im ersten Lockdown stellten Sie am 30. März bzw. 1. April 2020 beim Land NRW einen Antrag auf Gewährung einer Soforthilfe, woraufhin diese am gleichen Tag in Höhe von jeweils 9.000 Euro als einmalige Pauschale bewilligt wurde. Die Auszahlung erfolgte wenig später. Die Kläger meldeten nach dem dreimonatigen Bewilligungszeitraum Einnahmen und Ausgaben an die Behörde zurück. Es ergingen daraus automatisierte Schlussbescheide. In diesen Bescheiden wurde ein aus dem elektronischen Rückmeldeformular errechneter „Liquiditätsengpass“ festgestellt. Die Differenz zwischen diesem Engpass und dem ausgezahlten Pauschalbetrag wurde sodann zurückgefordert. Dagegen gingen die Kläger nun vor. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hatte diese Schlussbescheide in der Vorinstanz aufgehoben, woraufhin das Land NRW in Berufung ging.

Entscheidung

Nach einem knapp sieben Stunden langen Verhandlungstag kam Freitagabends dann die Entscheidung. Das OVG NRW entschied, dass die Rückforderungen rechtwidrig waren und die Rückforderungsbescheide deshalb aufzuheben seien. Es schloss sich damit der Sicht der Verwaltungsgerichte aus der Vorinstanz an. Das Land kann aber laut Hinweisen des Gerichts die Schlussbescheide neu erlassen und so überzahlte Beträge zurückfordern.

Der Vorsitzende führte aus, dass die Soforthilfe ausschließlich zur Milderung pandemiebedingter finanzieller Notlagen, insbesondere zur Überbrückung von Liquiditätsengpässen gewesen sei. Das später vom Land geforderte Rückmeldeverfahren habe in den ursprünglichen Bewilligungsbescheiden keine Grundlage gefunden. Die darin von den Zuwendungsempfängern verlangten Angaben waren ungeeignet, um die letztlich jeweils zu belassende Fördersumme - unter Berücksichtigung der bindenden Festsetzungen der ursprünglichen Bewilligungen - zu bestimmen.

Uneindeutige Formulierung geht zulasten des Landes

Die Mittel aus Landes- und Bundesprogrammen auf Basis von EU-Recht waren ursprünglich nur zur Milderung pandemisch bedingter finanzieller Notlagen vorgesehen. Es sollten insbesondere Liquiditätsengpässe überbrückt werden. Dies ging jedoch aus den missverständlich formulierten Anforderungen nicht eindeutig hervor.

Der Vorsitzende Richter führte deshalb aus: „Wenn etwas missverständlich formuliert ist, geht das zu Lasten des Landes". Er übte in der Verhandlung sowohl Kritik am Land als auch an der Erwartungshaltung einiger Antragsteller. Es habe zwar Formulierungsprobleme seitens des Landes gegeben. Es hätte indes jedem klar sein müssen, dass zu viel gezahltes Geld zurückgezahlt werden müsse. Die Fehler bei der Formulierung seien insbesondere unter dem hohem zeitlichen Druck entstanden, um eine schnelle Hilfe zu ermöglichen. Das Land habe dabei teilweise widersprüchliche Angaben gemacht.

Ziel der Soforthilfe war die Überbrückung von Engpässen – keine Kompensation für Umsatzausfälle

Das Land könne zwar nicht die für die Kompensation des Engpasses verwendeten Hilfen zurückfordern. Jedoch könne es die den Empfängern letztlich zustehende Soforthilfe in Form von neu zu erlassenden Schlussbescheiden endgültig festsetzen. Auf dieser neuen Grundlage könnten dann die überzahlten Beträge zurückgefordert werden. Den Empfängern hätte klar sein müssen, dass nicht zweckentsprechend benötigte Mittel nachträglich zu ermitteln und zurückzuzahlen gewesen seien.

Umsatzausfälle sollten explizit nicht mit dieser Soforthilfe kompensiert werden. Es sei allein um die Milderung von finanziellen Notlagen eines Unternehmens oder Selbständigen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie gegangen.

Konsequenzen

Im Land Nordrhein-Westfalen seien an den sieben Verwaltungsgerichten mittlerweile rund 2.500 Klagen ähnlicher Art anhängig. Deshalb sei der jetzt vom OVG aufgezeigte Weg notwendig, so der Vorsitzende des Senats. Das Land habe mit den Entscheidungen der Verwaltungsgerichte nicht arbeiten können, weil diese unter anderem zu unterschiedlich ausgegangen seien.

Das Urteil hat für viele Betroffene, die nicht gegen ihre Schlussabrechnungen geklagt haben, keine Auswirkung. Das Land könnte zwar auch in diesen Fällen neu abrechnen und das gegebenenfalls auch zulasten der Betroffenen. Die Landesregierung habe dies bislang jedoch nicht vor.

Das Urteil könnte auch für den künftigen Umgang mit Krisen und Hilfs-Programmen sehr relevant sein.


Robert Prümper

lennmed.de Rechtsanwälte

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