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Gedanken zu betriebswirtschaftlichen Sofortmaßnahmen für Arzt- und Zahnarztpraxen

Gastbeitrag von Barbara Mertens, FIBU-doc Praxismanagement GmbH

Auch auf die betriebswirtschaftliche Situation hat das unerwartete Auftreten von Corona durchgreifende Auswirkungen – und „das Abflachen der Kurve“ hat hier eine ganz eigene Bedeutung bekommen. Während die meisten Kosten in der Praxis weiterlaufen, führen ausgefallene oder verschobene Termine zu einem Umsatzeinbruch und damit zu einem zumindest vorübergehenden Liquiditätsengpass.

Was bedeutet das für die Zahnarztpraxis konkret?

Liquidität bezeichnet die Verfügbarkeit von genügend Zahlungsmitteln, d. h. von Bargeld in der Kasse und auf Konten („Cash“). Liquidität bestimmt somit auch die Fähigkeit der Praxis, die fälligen Verbindlichkeiten jederzeit begleichen zu können. Liquidität hat folglich eine zeitliche Komponente und sie kann somit proaktiv gesteuert werden. Folgende liquiditätssteigernde Maßnahmen können in Betracht gezogen werden:

Umsätze früher vereinnahmen, u. a. durch Einsatz von Factoring

Die Abrechnung über eine Abrechnungs- und Factoringgesellschaft hat einen positiven Einfluss auf die Praxisliquidität, da Sie Ihre offenen Forderungen senken und Ihr Geld früher erhalten. Wer bereits Factoring betreibt, sollte überlegen, auf Vereinbarungen mit kürzeren Auszahlungsfristen (Sofortauszahlung) umzusteigen, sofern dies im bestehenden Vertrag möglich ist. Einige Anbieter haben uns hierzu bereits signalisiert, dass sie in den nächsten Tagen der Situation entsprechende Angebote bereitstellen wollen.

Wer kein Factoring betreibt, kann versuchen, die Patientenzahlungen durch zeitnahen Rechnungsversand und schnelle Zahlungserinnerungen zu beschleunigen. Auch die Liquiditätsentwicklung Ihrer Patienten ist ungewiss.

Zusätzliche Liquidität in Form einer Übergangsfinanzierung sichern

Eine temporäre Kreditlinie kann helfen, die Zahlungsfähigkeit zu sichern und die sehr hohen Kontokorrentzinsen zu vermeiden. Da auch die Banken ein Interesse am Fortbestehen der Praxen haben, bieten einige Banken aktuell besondere Programme an, um die zu erwartenden Liquiditätsengpässe der Praxen zu überbrücken. Sprechen Sie mit Ihrem Bankberater, welche individuellen Lösungen Ihre Bank schaffen kann.

Liquiditätsabflüsse durch Aussetzung von Darlehenstilgungen verschieben

Sofern Sie aktuell hohe Tilgungsraten zu tragen haben, kann eine Tilgungsaussetzung die Situation kurzfristig verbessern. In einem offenen Gespräch mit dem Bankberater kann dieser Ihnen in der Regel kurzfristig sagen, für welche Ihrer Kredite eine Tilgungsaussetzung möglich ist. Achtung: Die Zinsen fallen natürlich weiter an. Denken Sie daher daran, die Tilgung wieder aufzunehmen, sobald sich die Lage entspannt.

In jedem Fall sollten Sie jetzt schon die Liquiditätsentwicklung der kommenden Wochen planen. Sprechen Sie deswegen frühzeitig mit Ihrer Bank, denn auch in Zeiten von Corona müssen Anträge gestellt, geprüft und bearbeitet werden.

Steuervorauszahlung herabsetzen und Steuernachzahlungen stunden

Auch die Finanzämter haben signalisiert, dass anstehende Steuerzahlungen gestundet werden können. Im Hinblick auf zu erwartende geringere Umsätze kann es ferner Sinn machen, Optionen zur Herabsetzung der anstehenden Steuervorauszahlungen zu prüfen. Sprechen Sie hierzu mit Ihrem Steuerberater, welche Anträge gestellt werden können.

Das Bundesfinanzministerium hat unter anderem angekündigt, dass bis Ende des Jahres 2020 auf Vollstreckungen und Säumniszuschläge verzichtet wird, wenn das Unternehmen von Corona betroffen war. Dies sollten Zahnarztpraxen im Allgemeinen nachweisen können.

Weitere Informationen finden Sie hier.

Weitere mögliche Maßnahmen der Kostensenkung

Neben diesen reinen Liquiditätsmaßnahmen kann die Liquidität auch mittelbar durch höhere Effizienz und Rentabilität gesteigert werden. Kurzfristig erreicht man dies am besten durch Kostensenkung.

Kostenscreening durchführen, um Einsparpotenziale zu finden

Erfahrungsgemäß ist es möglich, bis zu 15 % der monatlichen Kosten kurzfristig zu senken. Hierzu zählen die Kosten für die Abrechnung, Materialkosten, Teile der Raumkosten, Teile der Reise- und Fortbildungskosten, Aufwendungen für Werbung & Marketing, sonstige Ausgaben wie Porto, Büromaterial, etc..

Quick Tipp: Werbung auf Suchmaschinen, Patientenportalen, Bewertungsplattformen und in Social-Media-Kanälen kann in aller Regel unmittelbar pausiert werden. Im Zweifel werden Sie mit diesen Ausgaben in der aktuellen Lage sowieso keine neuen Patienten in die Praxis holen.

Nehmen Sie die Personalkosten unter die Lupe

Freiwillige Zusatzleistungen müssen in besonderen Zeiten eventuell entfallen. Darüber hinaus sollten die Mitarbeiter angehalten werden Überstunden abzubauen und ggf. einen Teil ihres Urlaubs zu nehmen. Auch das Thema Kurzarbeit kann ggf. eine Option sein. Bei guter Kommunikation wird Ihr Team verstehen, dass dies eine arbeitsplatzsichernde Maßnahme ist.

Fazit

Der Umsatz der Zahnarztpraxis ist aktuell sicher am schwersten zu beeinflussen. Patienten sagen Termine ab, fehlende Schutzkleidung macht Behandlung unmöglich. Niemand weiß heute, wie die Wirtschaft in der Mitte des Jahres dastehen wird. Aber eine Stabilisierung der Lage ist bei Zahnärzten wahrscheinlich, denn auch der Behandlungsbedarf bleibt bestehen und wird von den Patienten lediglich in die Zukunft verlagert. Versuchen Sie größere Behandlungen auf einen festen Termin in der Zukunft zu verschieben, statt diese vollständig abzusagen.

Da sich die Situation in den Praxen sehr unterschiedlich darstellt, gilt es für jeden Praxisinhaber herauszufinden, welche Maßnahmen in der eigenen Praxis zu ergreifen sind, um den vorübergehenden wirtschaftlichen Engpass zu überwinden.


Barbara Mertens
Kundenbetreuerin, Referentin
FIBU-doc Praxismanagement GmbH
www.solvi.de