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Gummibärchen machen Wettbewerbszentralen nicht froh – Wann ist eine Werbeaktion im Medizinbereich unzulässig?

Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm (vgl. Urt. v. 22.09.2020 – 4 U 38/20) untersagte einem Medizinproduktehersteller sowohl die Werbung mit einer „Süßigkeiten-Box“ als Werbegabe als auch die Abgabe derselben. Ausgangspunkt der Auseinandersetzung zwischen einer Wettbewerbszentrale und einem Unternehmen aus Dortmund, das u.a. spezifische Produkte zur Wundversorgung anbietet, war eine Werbeaktion des Medizinprodukteherstellers, das sich an Apotheken richtete.

Das Unternehmen hatte Flyer mit dem streitgegenständlichen Angebot an Apotheken verteilt. Das Angebot sah ab einem Bestellwert von 30,00 EUR netto eine Süßigkeiten-Box als Gratiszugabe vor. Die Gratiszugabe wurde dabei durch bildliche Darstellung auf dem Bestellformular für die Wundversorgungsprodukte (Fixiermull, Kalt-/Warmkompressen, Fixierbinden, etc.) veranschaulicht und entsprach einem Produktwert in Höhe von ca. 5,00 EUR. 

Die Wettbewerbszentrale mahnte das werbende Unternehmen zunächst ab und forderte Sie zur Abgabe einer Unterlassungserklärung auf. Nach Abgabe einer eingeschränkten Unterlassungserklärung machte die Wettbewerbszentrale den Unterlassungsanspruch auf dem Klageweg geltend. Erstinstanzlich wurde die Beklagte antragsgemäß zur Unterlassung verurteilt.

Zu Recht, wie das OLG Hamm nun in der Berufungsinstanz entschied.

Produkt- und leistungsbezogene Absatzwerbung 

Der streitgegenständliche Unterlassungsanspruch folge aus §§ 8 Abs. 1, 3 Nr. 2, 3 Abs. 1, 3a UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb) i. V. m. § 7 Abs. 1 S. 1 HWG (Gesetz über die Werbung auf dem Gebiete des Heilwesens). 

Die Werbung der Beklagten, eine geschäftliche Handlung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG, sei unlauter im Sinne von § 3 Abs. 1 UWG, da die Beklagte mit dem Anschreiben (Flyer) gegen § 7 Abs. 1 HWG als Marktverhaltensregelung i.S.v. § 3a UWG verstoßen habe. 

Die beanstandete Werbung unterfalle dem Anwendungsbereich des HWG, da es sich bei den beworbenen Produkten um Medizinprodukte handle, auf die das HWG Anwendung finde.

Die streitgegenständlichen Flyer würden eindeutig die Produkte und Leistungen der Beklagten, die damit im Vordergrund stünden, bewerben, so dass eine produkt- bzw. leistungsbezogene Absatzwerbung vorliege. Dabei stellten die als „Zugabe“ beworbenen Süßigkeiten-Boxen Werbegaben im Sinne des § 7 Abs. 1 HWG d

Werbegaben grundsätzlich verboten

Gemäß § 7 Abs. 1 HWG sei es grundsätzlich unzulässig, Zuwendungen und sonstige Werbegaben anzubieten, anzukündigen oder zu gewähren. Werbegeschenke im Heilmittelbereich sollen damit weitgehend eingedämmt werden, um der abstrakten Gefahr einer hiervon ausgehenden unsachlichen Beeinflussung zu begegnen. 

Anderes gelte nur, wenn eine der in § 7 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 5 HWG geregelten Ausnahmen vorläge. Werbegaben für Angehörige der Heilberufe müssten darüber hinaus zur Verwendung in der ärztlichen, tierärztlichen oder pharmazeutischen Praxis bestimmt sein. 

Der Begriff der Werbegabe erfasse grundsätzlich jede aus der Sicht des Empfängers nicht berechnete geldwerte Vergünstigung, die im Zusammenhang mit der Werbung für ein bestimmtes oder mehrere konkrete Heilmittel gewährt werde.  Davon abzugrenzen seien unentgeltliche Werbehilfen an Angehörige der Heilberufe, bei denen die Werbung gegenüber den Endverbrauchern im Mittelpunkt stehe und die aus Sicht der Empfänger vorwiegend dem eigenen Interesse des Herstellers diene. 

Unzweifelhaft stellten die Süßigkeiten-Boxen geldwerte Vergünstigungen dar, welche die Apotheker im Falle der Bestellung der Medizinprodukte erhalten sollen, und nicht etwa nur Werbehilf

Keine geringwertige Kleinigkeit

Bei den Süßigkeiten-Boxen handle sich auch nicht um eine geringwertige Kleinigkeit, die der Ausnahmeregelung des § 7 Abs.1 Nr.1 HWG unterfielen. 

Hierunter seien nur Werbegaben von zu vernachlässigendem geringem Wert zu verstehen, die eine relevante unsachliche Beeinflussung der Werbeadressaten als ausgeschlossen erscheinen ließen und einen Ausdruck allgemeiner Kundenfreundlichkeit darstellten. Zwar sei nicht zu erwarten, dass Apotheker sich in Anbetracht der angebotenen Werbegabe dazu veranlasst sähen, ggf. auf Kosten bestehender Gesundheitsrisiken die von der Beklagten angebotenen Produkte zu empfehlen und danach abzusetzen. Es sei aber nicht fernliegend, dass die angesprochenen Apotheker bei einem Vergleich von Medizinprodukten die von der Beklagten angebotenen Produkte beziehen würden, weil in diesem Fall noch der Bezug einer genehmen Zugabe zu erwarten sei. Abstrakt bestehe damit die Gefahr einer unsachlichen Beeinflussu

Keine objektive Bestimmung

Selbst wenn man dies anders beurteilen wollte, fehle jedenfalls die besondere Zweckgabe der Werbegabe, also die Bestimmung zur objektiven Verwendung in der pharmazeutischen Praxis im Sinne von § 7 Abs. 1 S. 2 HWG. Die Süßigkeiten-Boxen könnten schließlich gleichermaßen rein privat von den angesprochenen Apothekern verwende werden.


RAin Bita Foroghi LL.M. oec.
lennmed.de Rechtsanwälte
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