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Ist das eine Erfindung oder kann das weg?

Der Bundesgerichtshof (BGH) war in einer aktuellen Entscheidung (Urteil vom 16. Mai 2023, Az. X ZR 49/21) im Zusammenhang mit einer Dentalkamera mit der Frage befasst, ob eine neu in den Blickpunkt getretene Komponente als Alternative für eine im Wesentlichen funktionsgleiche Komponente einer im Stand der Technik bekannten Vorrichtung in Betracht gezogen werden könne.

Worum ging es?

Im Ausgangsverfahren vor dem Bundespatentgericht (BPatG) ging es um die Nichtigkeit eines Patents eine Dentalkamera betreffend. Das klagende Unternehmen machte geltend, dass ein mit Wirkung für Deutschland erteiltes europäisches Patent des beklagten Unternehmens, das im September 2006 unter Inanspruchnahme der Priorität einer deutschen Patentanmeldung aus dem Vorjahr angemeldet worden war, mangels Patentfähigkeit als nichtig zu erklären sei. Das streitgegenständliche Patent bezog sich darauf, dass für Motor, Stellglied und Verstellspindel zusätzlicher Bauraum im Inneren des Gehäuses der Dentalkamera notwendig sei, der eine Kleinbauweise verhindere und das Design und die Ergonomie beeinträchtige. Das streitgegenständliche Patent betraf vor diesem Hintergrund das technische Problem, eine kompaktere Bauweise der Kamera zu erreichen. Das BPatG erklärte das Streitpatent für nichtig. Hiergegen wandte sich die Beklagte mit ihrer Berufung vor dem BGH. Ohne Erfolg.

Die Entscheidung

Der BGH wies die Berufung der Beklagten zurück. Dabei stellte der BGH darauf ab, dass verschiedene technische Ansätze der Beklagten in diesem Zusammenhang keine ausschlaggebende Bedeutung hätten und die vom Streitpatent zur Lösung des technischen Problems vorgeschlagenen Merkmale einer Kamera zur Erreichung des mit der Erfindung angestrebten Ziels als nahegelegt anzusehen seien.

Neuere technische Entwicklungen könnten zwar grundsätzlich Anlass geben, eine neu in den Blickpunkt getretene Komponente als Alternative für eine im Wesentlichen funktionsgleiche Komponente einer im Stand der Technik bekannten Vorrichtung in Betracht zu ziehen.

Eine als neuartig vorgestellte Komponente sei aber jedenfalls dann grundsätzlich als Alternative nahegelegt, wenn sie erkennbar alle wesentlichen Funktionen erfülle, die einer vergleichbaren Komponente in einer bereits bekannten Vorrichtung zukämen, und keine grundlegenden Schwierigkeiten oder Wechselwirkungen erkennbar seien, die einem entsprechenden Austausch entgegenstünden. Diese Voraussetzungen seien im Streitfall in Bezug auf den von der Beklagten als neuartig offenbarten Linsentyp und einer in das Nichtigkeitsverfahren eingeführten Vorrichtung, die ein Varioobjektiv offenbare, erfüllt. Im Streitfall sei daher entscheidend, dass es sich um eine optische Einrichtung handele, die allein durch Anlegen einer Spannung in rascher Folge unterschiedlich fokussiert werden könne und wenig Platz in Anspruch nehme.

Die Berücksichtigung von ähnlichen Systemen mit vergleichbaren Eigenschaften im Stand der Technik und Entwicklungen, die in dieselbe Richtung zielten und eine weitere Verbesserung erwarten ließen, habe insoweit ergeben, dass der von der Beklagten als neuartig vorgestellte Linsentyp diejenigen Eigenschaften aufweise, die für das bereits offenbarte Varioobjektiv einer anderen Vorrichtung von ausschlaggebender Bedeutung seien. Diese bereits vorliegende Vorrichtung betreffe ein Endoskop und offenbare umfängliche Merkmale des streitgegenständlichen Patents. Endoskope und Dentalkameras wiesen schon deshalb starke Ähnlichkeiten auf, weil beide Arten von Instrumenten zur Aufnahme von Bildern im Körperinneren dienten. Wie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung hervorgehoben habe, gehe die Entwicklung von Dentalkameras historisch sogar auf die Endoskopie zurück. Schon aufgrund der funktionellen Ähnlichkeit habe grundsätzlich Anlass bestanden, Entwicklungen in einem Bereich darauf zu untersuchen, ob sie auch im anderen Bereich gewinnbringend eingesetzt werden könnten.

Aufgrund der kompakten Bauweise und der einfachen und schnellen Möglichkeit der Fokussierung ergäben sich aus dieser Vorrichtung Vorteile, deren Verwirklichung sich auch für Dentalkameras anböten - sowohl unter Einsatz des offenbarten Varioobjektivs als auch unter Einsatz des in der streitgegenständlichen Patentbeschreibung vorgestellten alternativen Linsentyps. Im Ergebnis sei das streitgegenständliche Patent nicht patentfähig und die Nichtigkeitserklärung zu bestätigen.


Bita Foroghi, LL.M. oec.

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