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OLG Hamm: fehlerhaftes Beschleifen von Milchzähnen

Das OLG Hamm hat mit Urteil vom 04.07.2017 (26 U 3/17) entschieden, dass das Beschleifen von Milchzähnen bei denen zu viel Material abgetragen wird und eine ungleichmäßige Oberfläche entsteht ein grober Behandlungsfehler ist.

Hintergrund der Entscheidung

Bei der damals 18-jährigen Patientin, sind mehrere bleibende Zähne nicht angelegt. Die an der Stelle vorhandenen Milchzähne sollten solange wie möglich erhalten bleiben. Später war die Ersetzung durch Implantate geplant. Zur Vorbereitung der implantologischen Versorgung beschliff die angestellte Zahnärztin die Milchzähne in der Weise, dass sie in ihrer Breite reduziert wurden, um später passgenaue Implantate einsetzen zu können ("Slicen"). Der Sachverständige stellte fest, dass bei zwei Milchzähnen zu viel Material entfernt worden ist und Dentinwunden entstanden sind. Bei einem weiteren Milchzahn wurde grenzwertig viel Zahnschmelz abgeschliffen. Zudem ist eine ungleichmäßige Oberfläche entstanden. Die Zahnreinigung ist erschwert. Milchzähne sind geschädigt und ihre Langzeitprognose verschlechtert.

Das OLG Hamm hat das Urteil des Landgerichts Detmold auf Schmerzensgeld in Höhe von 2.000 EUR und Feststellung der Ersatzpflicht künftiger Schäden bestätigt.

Fehlerhaftes Slicen - grober Behandlungsfehler

Nach Auffassung des, sachverständig beratenen, OLG liegt mit dem Entfernen (Abschleifen) von zu viel Material und den entstandenen Dentinwunden sowie dem Entstehen einer ungleichmäßigen Oberfläche ein grober Behandlungsfehler vor.

Optische Erwägungen keine Rechtfertigung

Der Einwand der Zahnärztin, nur durch ein derartiges Beschleifen habe man später auf beiden Seiten von Ober- und Unterkiefer gleich breite Implantate einsetzen und so ein in optischer Hinsicht harmonisches Ergebnis erhalten können, rechtfertigt die Behandlung, nach den Ausführungen des Gerichts, nicht.

Die Sachverständige hat klargestellt, dass es für ein harmonisches Ergebnis sowie ebenfalls für die Kaufähigkeit und die Zahnpflege nicht erforderlich ist, dass die Zähne rechts und links später gleich breit seien, entscheidend ist vielmehr ihre richtige Verzahnung.

Die der fehlerhaften Behandlung zurechenbaren, bei der Klägerin bereits eingetretenen Folgen (erlittene Schmerzen, behandlungsbedürftige Dentinwunden, Temperaturempfindlichkeit, Kariesbildung an zwei Zähnen, eine verschlechterte Langzeitprognose) rechtfertigten das bereits vom Landgericht festgesetzte Schmerzensgeld i.H.v. 2.000 Euro. Auch Folgekosten müssen getragen werden. Im Hinblick darauf, dass noch nicht absehbar sei, welche weiteren gesundheitlichen Folgen sich künftig aus der grob fehlerhaften Behandlung ergäben, sei auch der Feststellungsantrag begründet.

Das Urteil ist rechtskräftig.

RA Manfred Wolfgang Weigt
lennmed.de Rechtsanwälte
Bonn | Berlin | Baden-Baden