Arzt- und Zahnarztpraxen benötigen oftmals Dienstleistungen von Fremdfirmen, wie z.B. eine IT-Firma, die bei EDV-Problemen konsultiert wird, oder einen Abrechnungsspezialisten. Bei diesen Tätigkeiten wird bisweilen auch Einblick in hochsensible Patientendaten genommen, was keinesfalls unkompliziert[...]
Stillzeit angestellter Zahnärztinnen – Einschränkende Arbeitshilfe der Regierungspräsidien in Baden-Württemberg
Für die Verhängung eines Beschäftigungsverbotes wegen Stillzeit ist nach dem Mutterschutzgesetz eine sogenannte Gefährdungsbeurteilung erforderlich. In Baden-Württemberg wurde im Dezember 2023 eine Arbeitshilfe der Regierungspräsidien zu diesem Thema auf einen neuen Stand gebracht, die die Anlässe für die Verhängung eines Beschäftigungsverbotes wegen Stillzeit in Zahnarztpraxen sehr eingegrenzt sieht.
Demnach sei in einer Zahnarztpraxis in aller Regel die Weiterbeschäftigung der stillenden Mutter eines reifgeborenen und immunologisch gesunden Säuglings mit geeigneten Schutzmaßnahmen möglich. Im Detail geht die Arbeitshilfe insbesondere auf biologische Gefährdungen durch Infektionskrankheiten wie z.B. HIV, Hepatitis B und C oder Varizella-Zoster und diesbezüglich umzusetzende Schutzmaßnahmen ein. In Bezug auf Amalgam spricht sich die Arbeitshilfe zur Vermeidung des Risikos einer systemischen Aufnahme von Quecksilber und dessen Anreicherung in der Muttermilch dafür aus, dass durch stillende Zahnärztinnen entsprechende Füllungen nicht vornehmen. Ein Behandlungszimmer sei zudem nach jeder Behandlung mit Amalgam ausreichend zu lüften. Beim Bearbeiten, d.h. Polieren oder Entfernen von Amalgamfüllungen sei primär nur von einer Aerosolexposition auszugehen, die durch technische Schutzmaßnahmen (z. B. Bearbeitung unter hochvolumiger intraoraler Absaugung) und konsequentes Tragen der persönlichen Schutzausrüstung (z.B. FFP2-Maske, Schutzbrille, Handschuhe) wirksam reduziert werden könne.
Gerichtsentscheidungen zum Still-Beschäftigungsverbot
Nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes von 1993 (Az.: 5 C 42.89) führt eine Gefährdungsbeurteilung bei angestellten Zahnärztinnen faktisch zu einem Beschäftigungsverbot, da immer eine Infektionsgefahr bei der Behandlung am Patienten bestehe, auch wenn dieses Risiko sehr gering sei. Das Urteil bezog sich allerdings im konkreten Fall auf eine schwangere Zahnärztin und erwähnt nur allgemein, dass das Stillen vom MuSchG umfasst sei.
Zu Einzelfragen bezgl. des Stillens im Zusammenhang mit dem Mutterschutzgesetz entschieden in jüngerer Zeit andere Gerichte (z.B. SG Nürnberg am 04.08.2020 – Az. S 7 KR 303/20: Mutterschutzlohn wegen Stillzeit über 12-Monatsgrenze hinaus oder SG Frankfurt im Herbst 2020, Az. S 34 KR 2391/20 ER: Keine Erstattung von Mutterschutzlohn für stillende Arbeitnehmerin), ein grundsätzlich Hauptsache-Urteil zum einem Stillbeschäftigungsverbot hat allerdings noch kein Gericht getroffen. In einem Eilverfahren hat allerdings Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg im August 2021 (Az. 11 SaGa 1/21) entschieden, dass einzig die Arbeit mit Amalgam/Quecksilber durch eine stillende Oralchirurgin sei zu unterlassen sei, eine weitere unverantwortbare Gefährdung konnte in dem Verfahren durch die Ausübung der beruflichen Tätigkeit nicht nachgewiesen werden.
Man kann gespannt sein, ob die Auffassung der Regierungspräsidien in Baden-Württemberg auch in anderen Bundesländern Plat greift.
RA Michael Lennartz
lennmed.de Rechtsanwälte
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