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Wer entscheidet? Unterschiedliche Auffassung der Eltern zur Kinder-Covid-Impfung

Sowohl das Oberlandesgericht Frankfurt (OLG) (Beschluss vom 17.08.2021 – Az. 6 UF 120/21) sowie das Amtsgericht Bad Iburg (AG) (Beschluss vom 14.01.2022 – Az. 5 F 458/21 EASO) befassten sich mit der Frage, welches Elternteil über eine Covid-Impfung der gemeinsamen Kinder entscheidet, wenn diesbezüglich keine Einigkeit besteht. In beiden Fällen handelte es sich um getrennte, aber gleichfalls sorgeberechtigte Eltern, die keine Einigkeit über die Impfung ihrer jeweils über 12-jährigen Kinder erzielen konnten.

 

Die Sachverhalte

Im Frankfurter Fall ging es um einen fast 16-jährigen sowie einwilligungsfähigen Jungen und Risikopatienten, in Bad Iburg um 14 bzw. 12 Jahre alte, jeweils nicht vorerkrankte Geschwister; die Väter befürworteten jeweils eine Impfung, die Mütter waren dagegen. In beiden Angelegenheiten führten die Gerichte aus, dass bei Uneinigkeit der Eltern in der Impffrage auf entsprechendem Antrag eines Elternteils hin die Entscheidung einem allein übertragen werden kann. Und in beiden Fällen wurde auch geurteilt, dass die Entscheidung über die Einwilligung zu einer Covid-Schutzimpfung demjenigen Elternteil zu übertragen sei, welches eine Impfung des Kindes entsprechend den STIKO-Empfehlungen befürworte (so auch schon der BGH mit Beschluss vom 03.05.2017 - XII ZB 157/16).

Interessant sind in beiden Fällen die Ausführungen bezogen auf die Einwilligungsfähigkeit der betroffenen Kinder vor dem Hintergrund familienrechtlicher Vorschriften. So sah man in Frankfurt den betroffenen fast 16-jährigen Jugendlichen zwar vollumfänglich als einwilligungsfähig hinsichtlich der ärztlichen Behandlung an, was aber nicht die vertragliche Beziehung zu dem impfenden Arzt betreffe. In Bad Iburg führt der zuständige Richter aus, dass zwar der Kindeswille zu beachten sei, dies aber nur gelte, wenn das Kind sich im Hinblick auf sein Alter und seine Entwicklung auch eine eigenständige Meinung zum Gegenstand des Sorgerechts bilden könne. Und sei ein Kind aufgrund eines elterlichen massiven, auf Angst und Einschüchterung abzielenden Verhalten nicht imstande, sich eine eigene Meinung über den Nutzen und die Risiken der Corona-Impfung zu bilden, stehe der kindliche Wille einer Entscheidung, die Befugnis für die Entscheidung über die Impfung auf den die Impfung befürwortenden Elternteil zu übertragen, nicht entgegen.

 

(Kritische) Anmerkungen

Die Ausführungen beider Gerichte zum Thema Einwilligungsfähigkeit der Minderjährigen bzw. deren Bedeutung vereinfachen die ohnehin schon schwierige Frage nach der Einwilligungsfähigkeit von Jugendlichen in Bezug auf medizinische Behandlungen nicht. Zumindest die Frankfurter Richter sprechen aus hiesiger Sicht der medizinrechtlichen Einwilligungsfähigkeit Jugendlicher ihre Bedeutung ab, wenn sie die geschäftliche Vertragsbeziehung zum Arzt höher bewerten als die Einwilligung in den medizinischen und damit körperlichen Eingriff an sich. Insofern sind die diesbezüglichen Urteils-Ausführungen kritisch zu hinterfragen, zumal der BGH schon 1959 in einem Grundsatzurteil erklärt hat, dass es allein auf die Zustimmung des Minderjährigen ankomme, wenn dieser "nach seiner geistigen und sittlichen Reife die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs und seiner Gestattung zu ermessen vermag", er also die hinreichende Einsichtsfähigkeit habe (vgl. BGH Az. VI ZR 266/57). Mit Einführung des Patientenrechtsgesetzes und den diesbezüglichen BGB-Vorschriften hat der Gesetzgeber zudem ausdrücklich bezweckt, dass entscheidend für die Einwilligungsfähigkeit die natürliche Willensfähigkeit des Patienten ist und es deshalb nicht auf die zivilrechtliche Geschäftsfähigkeit ankomme. In Bad Iburg geht man wohl aufgrund des jüngeren Alters der betroffenen Kinder von deren sog. „Veto-“Recht aus, den angestrebten medizinischen Eingriff abzulehnen. Allerdings wird dieses nicht berücksichtigt, wenn die diesbezügliche Einsichtsfähigkeit wie hier durch elterliches Zutun wie im gegebenen Fall massiv beeinträchtigt wird.


RAin Walburga van Hövell

lennmed.de Rechtsanwälte

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