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Zahnersatz – wann liegt ein Planungsfehler vor?

Im zahnärztlichen Bereich ist eine besondere Art des Behandlungsfehlers der sog. Planungsfehler. Ob in einem speziellen Fall ein solcher vorlag, musste aktuell das Sozialgericht München im Rahmen einer Rückforderung der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Bayern (Beklagte) gegen einen Vertragszahnarzt (Kläger) entscheiden (Urteil vom 28.2.2023, Az. S 38 KA 5028/21). Hierbei ging es um eine Kronenversorgung, welche nicht in den Richtlinien abgebildet war, zu der aber selbige aber auch keine Alternativversorgung aufführt.

Hintergrund

Der Kläger führte bei einem Patienten eine Kronenversorgung u. a. für die regio 44 und 45 durch. Diesbezügliche Festzuschüsse wurden bei der Krankenkasse des Patienten beantragt und genehmigt. Nach Abschluss der Behandlung machte der Patient Mängel der Kronenversorgung bei seiner Krankenkasse geltend. Das daraufhin durchgeführte Erstgutachten stellte bei 44 und 45 einen nicht gegebenen Approximationkontakt fest aufgrund des Fehlens der beiderseitigen Stützzonen, aber keinen Planungs- oder Ausführungsfehler. Im Gegensatz dazu bemängelte das anschließende Obergutachten zusätzlich eine Nonokklusion bei 45 mangels Kontaktpunkten. Im Ergebnis sei deswegen eine Nachbesserung nicht möglich und es müsse vielmehr eine Neuanfertigung der Kronen 44 und 45 mit einer Gesamtplanung erfolgen. Daraufhin forderte die Beklagte mittels Bescheid einen Betrag in Höhe von 711,94 € vom Kläger zurück und begründete dies mit Planungs- und Ausführungsmängeln der gegenständlichen Kronenversorgung. Das hiergegen durch den Kläger angestrengte Widerspruchsverfahren blieb erfolglos, weswegen er Klage beim Sozialgericht München erhob. In einen parallel laufenden Zivilverfahren des Patienten gegen den Kläger stellte im Übrigen die dort beauftragte Sachverständige keinen Planungsfehler fest, weswegen diese Klage abgewiesen wurde.

Die Entscheidung

Im Ergebnis kassierte die zuständige Kammer des Sozialgerichts München – besetzt mit einem hauptamtlichen Richter und zwei zahnärztlichen ehrenamtlichen Richtern – den Rückforderungsbescheid der Beklagten, denn nach ihrer Auffassung lag weder ein Planungs-, noch ein Ausführungsfehler vor. Hierzu führten die befassten Richter zunächst aus, dass sich die Frage, ob ein Planungsfehler vorliege, sich insbesondere nach den Richtlinien für die Versorgung mit Zahnersatz C. 6 richte. Danach sei Ziel der Versorgung mit Zahnersatz, eine ausreichende Funktionstüchtigkeit des Kauorgans wiederherzustellen oder ihre Beeinträchtigung zu verhindern und grundsätzlich sei deswegen eine Gesamtplanung notwendig. Eine solche sei vom Kläger nicht erfolgt, sodass zunächst von einem Verstoß gegen die Richtlinie C. 6. und damit von einem Planungsfehler auszugehen sei. Aber ein Planungsfehler liege im Ergebnis auch nur dann vor, wenn es nach den Richtlinien eine alternative Versorgung gebe. Das sei aber hier nicht der Fall gewesen, denn bei der gegenständlichen Kronenversorgung handele es sich um eine Versorgung, die aufgrund des Zahnstatus und der sonstigen Umstände allein möglich und ausführbar war. Einzige Alternative wäre nicht eine den Richtlinien entsprechende Alternativplanung gewesen, sondern, von einer Versorgung insgesamt Abstand zu nehmen, was letztendlich keine echte Alternative darstelle und dem sozialgesetzlichen Anspruch des Versicherten auf eine zweckmäßige und notwendige zahnärztliche Behandlung zuwiderliefe. Hinzu sei gekommen, dass der Kläger beabsichtigte, eine Schienenversorgung des Unterkiefers vorzunehmen, die ihm auch vorab durch die beigeladene Krankenkasse genehmigt wurde, der Patient aber eine solche Versorgung ablehnte. Insofern sei letztendlich von einem Planungsfehler nicht auszugehen.

Abgesehen davon lag ein genehmigter Heil- und Kostenplan vor und zwar ausdrücklich mit dem Zusatz, dass Seitenzähne nicht versorgungsnotwendig seien und ein Härtefall vorliege. Somit wurde auch von der beigeladenen Krankenkasse keine Gesamtplanung genehmigt. Insofern sei es als widersprüchliches Verhalten anzusehen, dem Kläger nunmehr das Fehlen einer Gesamtplanung vorzuwerfen. Bezogen auf den fehlenden Approximalkontakt bei 44 und 45 verneint das Sozialgericht München überdies einen Ausführungsfehler und hält dazu abschließend fest, dass selbst wenn ein solcher gegeben sei, einem Vertragszahnarzt nach ständiger Rechtsprechung ein Nachbesserungsrecht zusteht (vgl. statt aller BSG, Urteil vom 10.05.2017, Az. B 6 KA 15/16 R).

Fazit

Grundsätzlich müssen sich Vertragszahnärzte an die einschlägigen Richtlinien bei der Versorgung von gesetzlich versicherten Patienten halten. Ist der spezielle Behandlungsfall dort allerdings nicht abgebildet, kann eine bestimmte Behandlung dennoch im Sinne des SGB V notwendig und zweckmäßig sein, wenn die einzige Alternative gar keine Behandlung wäre. Nichtsdestotrotz sind vorab aber entsprechende Heil- und Kostenpläne bei der zuständigen Krankenkasse zur Genehmigung vorzulegen.


Rechtsanwältin Walburga van Hövell, LL.M. (Medizinrecht)

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