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Zum Widerruf der Approbation als Apotheker auf Grundlage strafgerichtlicher Feststellungen

Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen (VG) stellte Mitte des letzten Jahres (Urteil vom 25.08.2022 – 18 K 3908/20) die Voraussetzungen für den Widerruf der Approbation und die Verwertbarkeit von strafgerichtlichen Feststellungen hierfür klar. Es geht hierbei um den in den Medien sehr umfangreich dargestellten Fall eines vormaligen Bottroper Apothekers – seit Ende des letzten Jahres geht es dabei auch um Schmerzensgeldprozesse.

Der Fall

Der vormalige Apotheker wurde am 06. Juli 2018 am Landgericht Essen (LG) wegen vorsätzlichen Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz in insgesamt 14.537 Fällen

(davon in 14.498 Fällen durch das Herstellen und Inverkehrbringen von Arzneimitteln, die durch Abweichung von den anerkannten pharmazeutischen Regeln in ihrer Qualität nicht unerheblich gemindert und gefälscht waren, in 39 Fällen durch das Herstellen solcher Arzneimittel, und wegen Betrugs in 59 Fällen)

zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 12 Jahren verurteilt. Im Übrigen wurde ein lebenslanges Berufsverbot und die Einziehung eines Wertersatzbetrages in Höhe von 17 Millionen Euro angeordnet. Die Revision des vormaligen Apothekers vor dem BGH blieb bis auf eine Reduzierung des Einziehungsbetrages erfolglos. Sodann erhob der vormalige Apotheker Verfassungsbeschwerde, welche zum Zeitpunkt der Entscheidung der Bezirksregierung Münster über die Approbation noch anhängig war.

Die Approbation

Gleichzeitig wurde bereits im Ermittlungsverfahren das Ruhen der Approbation des Apothekers angeordnet. Nach weiterer Anhörung widerrief die Bezirksregierung Münster im September 2020 die Approbation.

Dazu führte es im Wesentlichen aus, dass aus den zahlreichen Straftaten, die der rechtskräftigen Verurteilung des Klägers durch das LG Essen zugrunde lägen, sowohl dessen Unwürdigkeit als auch die Unzuverlässigkeit zur Ausübung des Berufs als Apotheker folgen würden. Insbesondere stehe das im strafrechtlichen Verfahren verhängte lebenslange Berufsverbot dem Widerruf der Approbation nicht entgegen.

Begehr des vormaligen Apothekers

Der vormalige Apotheker bat darum, die Entscheidung über den Widerruf seiner Approbation bis zu einer Entscheidung durch das Bundesverfassungsgericht zurückzustellen beziehungsweise aufzuheben. Es sei der Bezirksregierung aus rechtlichen Gründen verwehrt, den Widerruf seiner Approbation als Apotheker auf seine strafrechtliche Verurteilung durch das Landgericht Essen zu stützen. Diese würde erkennbar und in massiver Weise seine Grundrechte verletzen, weil die Strafkammer die Auswirkungen seiner Hirnverletzung unzureichend erfasst habe.

Die Entscheidung des VGs

Das VG hält die Klage für zulässig, aber unbegründet. Der Widerruf der Approbation vom September 2020 ist rechtmäßig und verletzt den klagenden vormaligen Apotheker nicht in seinen Rechten.

Die Verwertbarkeit der strafrechtlichen Ermittlungen

Das VG stellte fest, dass zur Bestimmung der unbestimmten Rechtsbegriffe der Unwürdigkeit bzw. der Unzuverlässigkeit (im Sinne von § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, § 6 Abs. 2 BApO) auch die in einem rechtskräftigen Strafurteil enthaltenen tatsächlichen Feststellungen in aller Regel zur Grundlage einer behördlichen oder gerichtlichen Beurteilung der betroffenen Persönlichkeit gemacht werden dürften, ohne dass diese auf ihre Richtigkeit selbst überprüft werden müssten.

Etwas anderes gelte ausnahmsweise nur dann, wenn gewichtige Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der strafgerichtlichen Tatsachenfeststellungen sprechen, insbesondere wenn ersichtlich Wiederaufnahmegründe vorliegen oder wenn die Behörden oder Verwaltungsgerichte den bestrittenen Sachverhalt nunmehr besser als das Strafgericht aufklären könnten.

Fazit

Das strafrechtlich ausgesprochene Berufsverbot hatte nicht unmittelbar den Widerruf der Approbation zur Folge, weil dies der zuständigen Verwaltungsbehörde obliegt. Dennoch führte es mittelbar dazu, indem die unbestimmten Rechtsbegriffe zur Entscheidungsfindung der Behörde maßgeblich durch die strafgerichtlichen Feststellungen beeinflusst wurden.


RA Michael Lennartz

lennmed.de Rechtsanwälte

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